Carl Bolle, Die amerikanische Moosbeere und deren Einbürgerung etc. 317
Nutzens! Die Blüte welkt, um einer zur Zeit der Reife noch wirkungsvolleren Frucht Raum zu gönnen. Diese, wie gesagt, eine kirschenähnliche rote Beere hält sich lange am Stengel festsitzend. Man darf in- dess mit ihrem Sammeln im Spätherbst nicht allzusehr zögern, weil steigendes Grundwasser sie leicht unnahbar machen kann.
Einer derartigen Überflutung unterliegt mein Weidenpfuhl regelmässig bereits im Oktober, höchstens schaut daraus dann in der Mitte noch ein flachgewölbter Rücken, ganz in zu dieser Zeit rötlich schimmerndes Moosbeerlaub gehüllt, aber gleichfalls wasserdurchtränkt, hervor. Gerade eine solche periodisch wiederkehrende und lange anhaltende Inundation erscheint als dem Gedeihen der Pflanze förderlich.
Die Beeren sind roh so gut wie ungeniessbar. Sie können dies bei beiden Arten in gewissem Maasse erst werden, wenn sie, vom Frost gerührt, im nächsten Frühjahr, abgefallen aber unangetastet auf dem Moose liegen. Ihrer Bestimmung als Nahrungsmittel des Menschen entsprechen sie allein im geschmorten oder eingemachten Zustande, dergestalt ein äusserst wohlschmeckendes Kompot liefernd. Mit der Preissel- beere, die wir als Beigabe zum Wildbraten so sehr lieben, darf man in- dess ihren Geschmack keineswegs vergleichen. Nichts von dem köstlichen, wenn auch herben Aroma, welches jene auszeichnet; dafür aber eine dem Gaumen kaum minder schmeichelnde Citronsäure, die allerdings reichlichen Zusatz von Zucker zur unabweisbaren Bedingung macht.
Als Delikatesse werden die Cranberries , unter dem Namen amerikanischer Preisselbeeren schon seit wenigstens einem Jahrzehnt in feineren Läden Berlins verkauft und zwar sind es wohl ausnahmslos ans Amerika heriibergehrachte, die man so erhält. Grössere Verbreitung haben sie, bei ziemlich hohem Preise, noch nicht gefunden. Vielleicht wird ihnen eine solche durch die mit Recht alteingewurzelte Vorliebe für unsere echte Preisselbeere noch lange erschwert werden. Etwas mehr als einen Achtungserfolg verdient die Frucht indess immerhin.
Dem auf den Gebieten der Pomologie und der Dendrologie gleich gefeierten Professor Carl Koch gebührt der ehrenvolle Vorzug, Einführung und Kultur der Cranberry zuerst bei uns und zwar schon in den siebziger Jahren angeregt zu haben; allerdings ohne viel Glück. Bedeutende Erfolge, in Amerika damit erzielt, hatten ihm Veranlassung zu den von ihm gethanen Schritten gegeben. Von einem gleichen Vorgehen in Europa, namentlich in Deutschland, wusste man damals noch nichts, obwohl bereits einige Stätten der Verwilderung für das Gewächs oberflächlich bekannt waren.
In Koch’s Fusstapfen tretend, hat nun jetzt ein nicht minder distinguirter Botaniker Thüringens, Herr Professor Fr. Thomas zu Ohrdruf bei Gotha, die Sache wieder energisch in die Hand genommen, wie zu hoffen steht unter glücklicheren Auspicien.
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