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Carl Bolle, Miscellen ans der heimischen Pflanzenwelt.
Zur Kunde von der Alraunwurzel.
Das war zu Erfurt und ist in seinen späteren Jahren einem Manne passiert, dessen Erlebnisse eine reiche Fundgrube des Wissenswerten bleiben werden, dem Fürsten Pückler nämlich. Lassen wir ihn selbst reden.
„In einer phantastischen Aufstellung der heterogensten Dinge, die ein wunderlicher Greis à la Hoffmann, auf eine, ich möchte sagen schauerliche Art erklärte, sah ich mit Erstaunen das wirkliche Galgenmännchen vor mir, eine Wurzel, die alle von der Natur geformten Glieder des menschlichen Körpers so vollkommen modellierte als es ein Bildhauer nur im Stande ist. Mit kreischender Stimme erzählte der Alte, dass er sie um Mitternacht aut dem Templower Berge in einer 60 Fuss mächtigen Sandschicht ausgegraben, wo sie noch Blutwürme gehabt, und reichte sie mir dann dar um mich von ihrer Ächtheit und der seltsamen Beweglichkeit ihrer Glieder zu überzeugen. In der That fand ich nach genauester Untersuchung, dass nicht das Mindeste daran durch Kunst nachgeholfen war, und es hätte nur ein mächtiger Arnimscher Zauber gefehlt um die Wurzel sofort zu beleben. Ja einigemal kam es mir bei dem trüben Schein der Inseltlichter vor als wenn sic doch lebe und deutlich eine Bewegung gemacht habe.
Die ganze Nacht träumte ich davon und, kaum aufgewacht, schickte ich meinen Diener mit dem Gebote ab, das Galgenmännchen um jeden Preis zu erstehen, um es bei der Rückehr meiner Freundin Bettina oder meiner Gönnerin Frau von Savigny zu Füssen zu legen. Zu spät! Ein Unbekannter war mir zuvorgekommen und hatte gestern schon, spät in der Nacht den alten Magier herausklopfen lassen, das Galgenmännchen mit Gold aufgewogen und augenblicklich mit ängstlicher Hast entführt.
Zwei Tage blieb ich in Erfurt um Nachforschungen anzustellen. Lohndiener, Antiquare und Juden wurden in Bewegung gesestzt, doch Alles vergebens. Galgenmännchen und sein Käufer blieben spurlos verschwunden.
So ward das prosaische Erfurt der erinnerungsreichste Punkt meiner Thüringer Fahrten, denn es belehrte mich durch den Augenschein, dass Galgenmännchen nicht bloss die Geburt einer schöpferischen Phantasie sind, wie ich bisher glaubte, sondern dass es wirklich dergleichen noch in unserem Vaterlande giebt und vielleicht häufiger als wir vermuten. Gott, es ist ein schrecklicher Gedanke dass man vielleicht mit einem Minister, einem Präsidenten, ja mit einem frommen Geistlichen vertrauungsvoll umgeht und derselbe doch nur in scheinbar belebtes Galgenmännchen sein könnte!“
Wir wollen den Manen des Fürsten die Verantwortlichkeit für obige kleine Malicen auferlegen und höchstens noch die Herausgeberin seiner Tagebücher, Ludmilla Assing, an diesem Onus teilnehmen lassen. Leicht ersieht man, Pückler hielt mehr von der Mandragora als seinerzeit Geist von Beeren, dem er allerdings an Spottlust gleichkam. Er würde das Bernsteinpüppchen von Grossbeeren nicht ins Kaminfeuer geworfen haben. Was ihn von jenem skurrilen Junker von Grund aus unterschied, war dass er auf höchster Stufe von Bildung und Aufklärung sein Gemüt immer noch den Schauern unüberwundener Romantik geöffnet hielt. Allerdings ist bei Pücklerscher Sinnes-