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Erinnerungen an Kaiser Wilhelm I., den Grossen.
Erinnerungen an Kaiser Wilhelm I., den Grossen.
Aus einem Vortrag, gehalten am 17. März 1897.
Von Carl Euler.
Vorbemerkung. Die Erinnerungen an Kaiser Wilhelm in meinem Vortrag bezogen sich auf persönliche Begegnisse mit dem hochseligen Herrn. Auf Wunsch unseres verehrten Vorsitzenden Geh. Hat Friedei gedachte ich als Einleitung zunächst der bevorstehenden Hundertjahrfeier des Kaisers Wilhelm des Grossen, gewissermassen als Vorfeier. Diese Einleitung wird hier nur mitgeteilt. Die eigenen persönlichen Erinnerungen werden in einem späteren Heft zugleich mit den Erinnerungen an den hochseligen Kaiser Friedrich III. abgedruckt werden.
Euler.
1807! 1897! Welche Welt von Ereignissen, welche Wandlungen in der Geschichte des erhabenen Hohenzollernhauses!
1807! Das mächtige Preussen, das auf einem melier de bronce gegründet schien, von einem fremden Eroberer besiegt, gebrochen, zerstückelt, durch unerschwingliche Lasten an den Hand des Verderbens gebracht; die Königliche Familie an die fernsten Grenzen des Reiches vor dem übermütigen Sieger geflüchtet, dort ein trauriges, entsagensvolles Leben fristend, den einzigen Trost nur im innigen Familienleben, in der herzlichen Liebe der Eltern und Kinder findend. Endlich nach zwei Jahren nach der Hauptstadt zurückgekehrt, nach wenigen Monaten die allgeliebte Gattin und Mutter von der Seite des Gemahls, aus der Mitte der Kinder durch den unerbittlichen Tod gerissen! An das Krankenbett war der Gemahl mit den beiden ältesten Söhnen geeilt. Sie konnten noch von der Sterbenden Abschied nehmen, der Gatte konnte ihr die Augen zudrücken, diese einst so schönen, strahlenden, dann von Kummer getrübten Augen, mit deren Erlöschen auch sein Lebensglück erloschen war! Prinz Wilhelm aber, der Mutter Liebling, der sie sowohl in der äussern Gestalt als auch in seinem einfachen, biederen und verständigen Wesen ganz besonders an ihren Gemahl erinnerte, schlich sich in den Garten und kehrte mit einem von ihm gewundenen Kranz von Wiesenblumen, Rosen und Eichenlaub zurück und legte ihn schweigend der dahingeschiedenen Mutter auf das Haupt! Als teure Reliquie wird der Kranz in dem Sterbezimmer in Hohenzieritz noch aufbewahrt.
In tiefer Trauer und Abgeschiedenheit lebt die Familie in Potsdam, der Königliche Vater stets von dem erbarmungslosen Unterdrücker bedroht.
Dieser aber sonnt sich in Frankreich, in Paris, im Glanz der Kaiserkrone, die er sich selbst auf das Haupt gesetzt. Als Beherrschet' der Welt thront er da, umschmeichelt von Höflingen, von Fürsten, die sich vor seiner Grösse und Macht beugen.