Heft 
(1897) 6
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Erinnerungen an Kaiser Wilhelm I., den Grossen.

Jahres 1848, als dem damaligen Prinzen von Preussen so unverdientes, hartes Leid zugefügt wurde.

Die schwere Erkrankung König Friedrich Wilhelms JV. 1858 führte den Prinzen Wilhelm an die Spitze der Regierung als Prinz-Regenten. 1861 bestieg er als König Wilhelm I. den Thron.Meine Pflichten für Preussen, sagte er unter anderem in der ProklamationAn mein 5 olk, fallen mit meinen Pflichten für Deutschland zusammen. Es kamen die bittern Jahre des Konflikts; es kam der Krieg mit Dänemark 1864, der Krieg mit Oesterreich 1866, der zur Einverleibung Hannovers, des Kurfürstentums Hessen und des Herzogtums Nassau führte.

Wie schwer es den einverleibten Staaten wurde, sich in die vollendete Thatsache zu fügen, ist uns noch in lebhafter Erinnerung. Und da ist es die Persönlichkeit des greisen Königs gewesen, die soviel zur Aus­söhnung beigetragen hat.

Im Sommer 1869 war ich in Kassel. Ich wurde im Gasthof mit einem Professor aus Nürnberg bekannt, der die durch die neue Verwal­tung wieder zugänglich gemachte berühmt»* Gemäldegalerie studierte. Ich fragte ilm, ob er es war Sonnabend den folgenden 'Tag mit nach Wilhelmshöhe fahren wolle, er könne dort auch den gerade anwesenden König sehen. Kurz abweisend erwiderte der Professor, nach dem trage er kein Verlangen. Ich fuhr also allein nach Wilhehnshöhe. Oben am Riescu- schloss traf ich »loch meinen Nürnberger Bekannten. Gleichsam sich entschuldigend meinte er, da er doch einmal in Kassel sei, wolle er doch auch die weltberühmten Wasserkünste in Wilhelmshühe nicht versäunmn.

Als wir noch zusammen sprachen, kam der König angefahren. Un­willkürlich trat der Nürnberger näher und fort war das lnteri*ss»! für die Wasserkünste! Er hatte nur Augen für den König; er folgte dem lang­sam fahrenden Wagen unten trafen wir uns wieder und leuchtenden Auges sagte er:Ja, diesen Mann muss man sehen, da ist jeder Zoll ein König!

Ich fuhr weiter nach dem Rhein. Unterw»*gs musst»» ich das Schelt»*n der mitfahrendenMusspreussen so nannten sich die ll»*sst*n und Nassauer über ilas neue schneidige preussisclu* Regiment mit anhören Da kam die Rede auf den König, der sich zum Manöver bei Frank­furt a. M. begeben hatte.Ja, das ist ein Mann, hiess »*s da,vor dem muss man Respekt haben, ln der Nacht reist er nach Frankfurt, fährt sofort zum Manöverfeld, setzt sich aufs Pferd, der alte Herr reitet viele Stunden lang unermüdlich ja, das ist unser Mann!

Im Königsschloss zu Versaill»*s, das <*inst Imdwig XIV. mit ungeheuren Kosten erbautjener König, der den Grossen Kurfürsten um die Frucht seiner Kämpfe und Siege gebracht hatte, wird am 18. Januar 1871 König Wilhelm unter jubelndtnu Zuruf zum »Umtschen Kaiser ausgerufen! Und der König übernimmt die kaiserliche Würilein dem Bewusstsein der Pflicht,