Kleine Mitteilungen.
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So möge denn auch die Erziililung von dem angeblich aus Brandenburg vertriebenen Juden Gebra, wenn sie auch ganz ungeschichtlieh ist, in unserer [Brandenburgia mitgeteilt werden, zumal sie in unserer Provinz, wie es scheint, (ganz unbekannt oder übersehen worden ist.
Es wird erzählt: Vor etwa 1000 Jahren lebte in der Mitte zwischen den jetzigen Ortschaften Ober- und Niedcr-Gebra in Thüringen ein Fischer, der sich kümmerlich von seinem in der Wipper betriebenen Gewerbe nährte, paiieben lieferten ihm Wald und Feld in der Nähe ihre Erzeugnisse. Aber trotz der Fruchtbarkeit hauste ausser dem Fischer keine Menschenseele in der Gegend. Da traf es sich im Jahre 911, dass ein Jude Namens Gebra fus seiner Vaterstadt Brandenburg a. d. Havel flüchten musste und nach fielen Mühsalen und Irrfahrten in das Wipperthal gelangte. Von der An- 'juut und Fruchtbarbeit desselben überrascht, beschloss Gebra sich hier iederzulassen und baute in geringer Entfernung von einander zwei Höfe, m welche sich später die beiden nach ihrem Erbauer Gebra genannten Dorf- chaften bildeten. Die eine Niederlassung wurde „Blauer Hof“ genannt, das rste Haus in Nieder-Gebra, während sich um den andern Hof, wie angedeutet» Allmählich Ober-Gebra ausbaute.
Ob diese Erzählung irgend einen geschichtlichen Hintergrund hat, ist (Schwer zu sagen. Die Jahreszahl 911 erscheint als eine sehr bedeutsame, da «n diesem Jahre der letzte Karolinger Ludwig das Kind (899—911) stirbt und Jpmrad I. von Franken (911—918) zur Regierung kommt. Aber erst unter einem Nachfolger, dem ersten sächsischen Kaiser Heinrich I. (919—936) wird 'ekanntlich Brandenburg und zwar ini Jahre 927*) genannt, in welchem die /deutschen zur Winterszeit die alte Wendenveste erobern, denn dass der Ort amals schon uralt war, daran zweifelt niemand. Es wäre also von Wichtig- eit, falls sieh das Jahr 911 bewahrheiten Hesse; ich bin dem gegenüber aber öllig ungläubig, halte die angebliche Überlieferung für eine müssige Ge- ehrten-Erfindung und muss den sächsischen bezw. thüringischen Altertums- ereinen überlassen, anzugeben, wie dieselbe entstanden ist. Dass übrigens amals und noch viel früher unter den heidnischen Slaven jüdische Händler erkehrten, habe ich an anderer Stelle ausführlich berichtet.**)
Herr Lehrer F. Krönig in Bremen, der die, Gebra-Sage in „Aus der leimat“, den leider seit Beginn des Jahres i 897 eingegangenen Sonntags-
I *) Vergl 0.Tschirch: Brannibor und Sgorzelica. Ein Beitrag zur Gerichte des Namens Brandenburg. Monatsblatt 1896/97. V. • ?*" .
ndere nennen 928 als das Kroberungsjahr, vergl. z. B. M. W. Heffter: Gesc iic i . achrichten von Brandenburg und dessen Altertümern, 1840 . • "
randenburg im Grossherzogtum Sachsen (Witzschel, Sagen aus Thüringen, > -> >
12) ist nicht zu denken. Die Sage von dem brandenburgischen Juden Gebra befinde ch u. A. in Er. Krönig: Sagen aus der Grafschaft Hohenstein O» ie , ie Sijpebradörfer gegründet wurden.). Abgedruckt in dem leider mit Dezember m
-f;gegangenen Sonntagsblatt des Nordhäuser Kourier „Aus der Heimat vom . o iember 1896.
**) E. Friedei: Die Hacksilberfunde. Hervorragende Kunst- und Altertums-Gegenstände des Märkischen Provinzial-Museums in Berlin, Berlin 1896. er ag ^ron Dr. E. Mertens & Cie. S. 7 und 8.