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4. (2. ausserordl.) Versammlung des VI. Vereinsjahres.
und in die Stube warf. Auch folgender sonderbarer Vorfall ist mir noch erinnerlich. Es wurde Whist gespielt, Ravenö sen. bediente sich zum Anlegen des Spiels vier, zwei und einen halben Groschenstücke; nach Beendigung des Spiels vermisste er eins dieser Geldstücke. Es ging nun ein immer leidenschaftlicher und für uns peinlicher werdendes Gesuche los. Der Teppich wurde hoch gehoben, Stühle umgeworfen, das Sofa zerschnitten, um zu sehen, ob die Münze sich in den Falten desselben verirrt habe. Alles umsonst! Der Hausherr mochte wohl schliesslich glauben, freilich war er zu gebildet um dies anzudeuten, dass sich jemand das Geldstück angeeignet hätte. Inzwischen war ihm seine ungarische Meerschaumpfeife ausgegangen; als er den geräumigen Kopf derselben ausklopfte, fiel zu unserer grossen Erleichterung das Zweigroschenstück etwas angeschmolzen aus demselben heraus. Ravend hatte dasselbe offenbar selbst während des Spiels versehentlich in den Pfeifenkopf hineingekehrt.
Alle dergl. kleinen Schwächen können den Eindruck grösster Herzensgüte, den der eigenartige Mann hinterlassen hat, nicht im mindesten abschwächen. Wir gehen nunmehr zu seinem ältesten Sohne über.
Der Geheime Kommerzienrat Louis Ravend, geb. 1. Juni 1823 war von seinem Vater in der Jugend ziemlich knapp gehalten, und als er zusammen mit dem späteren Kommerzienrat Schlittgei' (Kotzenau) auf dem Eisenwerk der Seehandlung in Moabit arbeitete, haben beide wackre strebsame Männer sich manchmal mit einem Mittagessen in einem Budiker-Keller begnügt. Immerhin besass er bereits im Jahre 1852 ein Einkommen, mit welchem selbst ein recht verwöhnter Junggeselle zufrieden sein konnte. Louis Ravend sen. hatte von seinem Vater das Verständnis und die Liebe für die Kunst und das Kunstgewerbe geerbt. Er war ein Meister in der Kunst-Dreherei, manche von ihm aus Elfenbein gedrechselten Nippes zieren noch jetzt die Putztische und Wandbörder seiner Freunde. Er hat grosse Verdienste erworben, indem er, die praktischen Bestrebungen des damals noch in den Anfängen stehenden Kunstgewerbemuseums unterstützend, sich bemühte, in Berlin die vergessene Kleinkunst der Email-Arbeit neu zu beleben. Er unterstützte den Künstler Bastanier, welcher das alte Limoges-Email) päte sur päte, zuerst hier anfertigte. Ein der ersten auf diese Weise entstandenes Bild, Brustbild des Alten Fritz, grau in grau, befindet sieb im Märkischen Provinzial-Museum (Kat. B. IX Nr. 366). Ein Gönner des Museums, der leider zu früh verstorbene Bampiier Gustav Henckeb kaufte es für ca. 75 Mk. an und stiftete es. Bei den geringen Dimensionen dieses kleinen Ovalbildes, Länge 7,5 cm, Breite 5 cm, erscheint der 1 reis sehr hoch; er ist dies aber nicht, w r enn man die grösst 1 Schwierigkeit und Genauigkeit der Arbeit erwägt. Besonders das Zellen- Mosaik (Oeuvre cloisone), bei welchem die verschiedenen Farbenfelder
