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4. (2. ausserordl.) Versammlung des VI. Vereinsjahres.
bild und das moderne Genre, an die Stelle der Zeichnung die Farbe, das Kolorit, als das für den malenden Künstler wichtigste setzte.
Der Begründer dieser Gallerie, Peter Louis Ravene, ganz und voll ein Kind seines jugendlichen Zeitalters der mächtig aufblühenden Industrie, einer Zeit, die seit der Pariser Julirevolution (18Bl>) ein erregtes politisches Leben kannte, die sich mit modernen sozialen Aufgaben zu beschäftigen begann und zugleich ein lebhaftes Interesse für die Ergebnisse der damaligen Gesichtsforschung, eines Guizot u. a. in Frankreich, eines Ranke, Giesebrecht u. a. in Deutschland, an den lag legte _ schloss sich enthusiastisch den damals „jungen“ Kunstrichtungen an und vereinigte in seinen Räumen eine grosse Zahl von Meistern, die einst für das vormärzliche Berlin den künstlerischen Fortschritt repräsentierten: Knaus, Ed. Meyerheim, Menzel, A. Achenbach, Rud. Jordan, dann C. Fr. Lessing, Alfred Stevens, Troyons u. v. a. Als er im Jahre 1861 starb, hatte seine Sammlung schon die stattliche Zahl von 14B Gemälden (nach dem Katalog von 1860) erreicht.
Paris, stets die Heimat des Neuen, eröffnete auch diese künstlerische Aera, für die übrigens H. Heine in seinen Salonberichten hei uns Stimmung machte. Aber weil die berühmten Meister an der Seine, die Delacroix, Delaroche, Couture u. a., zunächst bei uns unbekannt blieben, so konnten die belgischen Historienschilderer der Zeit, die von jenen beeinflusst die gleichen Richtungen einschlugen, als die Vermittler der französischen Kunstideen, die Führer unserer jungen Generation auf der Bahn des Kolorismus werden. Die Geschichtsdarstellungen eines Gallait und de Biefve erregten auf ihrer Reise durch die Ilauptorte Deutschlands Begeisterung und veranlassten die deutschen Kunstjünger, von nun an in den Ateliers zu Brüssel, Antwerpen und Paris ihre Studien fortzusetzen. In der Gallerie Ravene sind freilich sowohl Delaroche und Couture, wie auch der Belgier Gallait vertreten, aber nicht auf jenem Gebiete, das sie machtvoller als ihre Zeitgenossen beherrschten. Von Delaroche sehen wir hier nur eine gerahmte Kreidezeichnung („Schiffbrucli im Seesturm“), von Couture einen lebensgrossen „Edelknaben“ im Kostüm, wie in der Malweise ganz auf Rubens hinweisend und von Gallait ein jugendliches Musikantenpaar (1852), das gegenständlich dem altern Düsseldorfer Geschmack noch nahesteht.
Von den altern Franzosen der Gallerie fesselt im letzten Saal Horace Vernet (geh. 1789), den mau wohl den Vater des modernen Militärbildes nennt. Er schildert eine Scene aus dem napoleonisehen Feldzuge in Ägypten: wie ein mitleidiger französischer Soldat einen verwaisten Säugling an das Euter eines Mutterschafes legt. Weit eindrucksvoller wirkt im II. Saale Robert Fleury, der mit seinem Pinsel oft lür Humanität agitiert hat, da es ihm möglich war, durch Kraft und Wahrheit des leidenschaftlichen Ausdrucks sein Publikum hinzureissen.