7. (5. ausserordl.) Versammlung des VI. Vereinsjahres.
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Gerätschaften und zur Bergung der im Gemeindebezirk aufgefundenen Leichen benutzt. Die Kapelle, welche gegen Ende des 15. Jahrhunderts erbaut wurde, diente anfangs als Gotteshaus für die Hospitanten von St. Anna und später als Begräbniskapelle; der bei der Kapelle befindliche Kirchhof wurde 1822 geschlossen und in neuerer Zeit vom Yer- schönerungsverein planiert und mit Sträuchern versehen, so dass die von wildem Wein umrankte und von Gebüsch umgebene Kapelle einen traulichen Eindruck hervorruft. Die St. Annenkapelle soll, wie man vielfach angegeben findet, von dem Domprobst Christian Wultzke (f 1525) gegründet sein, docli dürfte dies auf einem Irrtum beruhen, da die Inschrift auf dem Grabsteine des Propstes, welche zu dieser Annahme Veranlassung gegeben hat, falsch gedeutet worden ist. Die Inschrift auf dem im südlichen Seitenschiffe des Doms befindlichen Grabstein (reg. *sub 59 No. 50) lautet: .... dominus Christianus Wultzke prepo-
situs ecclesie llavelbergensis fundator liujus capelle sante anne und bezeichnet den Probst, wie die Worte hujus capellae beweisen, nur als Stifter einer der heiligen Anna geweihten Seitenkapelle im südlichen Seitenschitf des Doms, in welcher sich die Gruft und der Grabstein befinden, nicht alter als Stifter der St. Annenkapelle vor dem Steinthor.
Nach flüchtiger Besichtigung der Annenkapelle erfolgte der Aufstieg nach den Anlagen, woselbst nach kurzer Wanderung im Garten des Domrestaurants ein kleiner Imbiss eingenommen wurde. Darauf lenkte die Gesellschaft ihre Schritte nach dem hervorragendsten Bauwerk von Havelberg, nach dem altehrwürdigen Dom.
Der Dom von Havelberg erhebt sich auf einem ziemlich hochgelegenen Ilügelplateau dicht am Ufer der Havel und schaut drohend ins Land hinein. Die kraftvollen, massigen Formen des Doms und der sich anschliessenden Stiftsgebäude deuten mehr auf eine zur Verteidigung erbaute Feste, als auf ein Gotteshaus hin, und dieser Imrgartige Charakter der ganzen Anlage tritt noch mehr hervor, wenn man von weit ab, beispielsweise vom Elbdeich oder von der Sandauer Chaussee aus, einen Blick auf den Dom wirft. I )er steinerne Unterbau des Turmes, welcher sich im Westen breit und massig vor das Kirchenschiff vorlagert, ist einem Bergfried vergleichbar und weist mit seinen schmalen, Schiessscharten ähnlichen Fensteröffnungen auf ferne, kriegerische Zeiten zurück. Der Mangel der schlanken Türme, an deren Stelle ein Glockenhaus aus Backsteinen mit einem Dachreiter getreten ist, vermehrt den burgartigen Charakter; der Schmuck zweier Türme, deren Bau die Havelberger schon lange sehnlich wünschen, würde dem Dom ein mehr kirchliches Gepräge verleihen und sicher nickt zum Nachteil des interessanten Bauwerkes. An den Turm schliesst sich die 05 in lange und 24,5 m breite drei- schiffige Kirche an, welche in gotischem Stil aus gemischtem Material — teils Bruchsteine, teils Ziegel — erbaut und durch einen abgesetzten,
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