Heft 
(1897) 6
Seite
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1 58 Dr .Carl Platner, Ein Bruchstück aus der iiltesten Geschichte Brandenburgs.

hatte sich die wendische Herrschaft viel zu stark erwiesen. Seihst nachdem Albrecht der Bär das Land in Besitz genommen, konnte ihm die Brandenburg noch einmal streitig gemacht werden, und er war genötigt, sie am 11. Juni 1157 mit stürmender Hand wieder zu erobern, was nur unter grossem Blutvergiessen geschehen könnt*'.

Bischof Wilmar errichtete nun i. J. 1165 das Brandenburger Dom­kapitel. Bei dieser Gelegenheit übereignete Markgraf Otto, Albrechts des Bären ältester Sohn, den dazu herbeiberufenen Prämonstratenser- Chorherrn eine Kirche, die wahrscheinlich schon von dem oben er­wähnten Fürsten Pribizlaw, als er sich zum Christentum bekehrte, erbaut worden war: die Marienkirche auf dem Harlungeberg bei Brandenburg*). Die Wenden hatten ehedem auf dieser Anhöhe das Bild ihres Götzen Triglaw errichtet, und dennoch hatte sich hier der deutsche Name Harlungeberg erhalten; er wurde um die Mitte des zwölften Jahr­hunderts von den Deutschen vorgefunden, als ihre Herrschaft eben erst in diesen Gegenden Fuss zu fassen anfing. Es war kein erst jetzt eingeführter Name, er wurde vielmehr sehr bald durch de?] neuen Namen Marienbeig verdrängt.

Aon dieser Anhöhe eröffnet sich uns ein weiter Blick in entlegene Fernen. Wie sie jetzt das Kriegerdenkmal zu Ehren der grössten Siege der Neuzeit trägt, um deren' Andenken den kommenden Geschlechtern vor Augen zu halten, so führt uns ihr alter Name Harlungeberg in die graue Vorzeit zurück und hat dafür gesorgt, dass die Erinnerung an längst verschollene Volksstämme doch nicht völlig entschwinde. Suchen wir diese Erinnerung ei* wenig anfzufrischen.

Um den Harlungeberg her liegt zunächst das weite, reich bestellte Feld der altdeutschen Heldensage ausgebreitet. Vor unserem geistigen Blicke taucht jenes königliche Geschlecht der Harlunge auf, das in die gotische Stammsage tief verflochten war**). Der Gotenköuig Ermauarich, so hören wir alte Säuger unseres Volkes erzählen, liess sich von seinem treulosen Ratgeber Sibich verleiten, gegen sein eigenes Geschlecht zu wüten und insbesondere seine beiden Neffen, die Harlunge Embrica und Fritla, gefangen zu nehmen und durch den Strang zu töten. Diese Ilarlungensage muss im ganzen Mittelalter allgemein bekannt gewesen sein; in solchem Sinne wird sie in zahlreichen (Quellenschriften-erwähnt. Das älteste Zeugnis dafür findet sich schon in dem angelsächsischen Wauderersliede***), jenem überaus merkwürdigen Heldengedichte, das in seinen Urbestandteilen noch ganz auf dem Grunde von Anschauungen

*) Bestätigungs-Urk. des Bischofs Wilmar v. J. 1166 in Riedels Cod. dipl. Brdb. I, T. 8, S. 107. Vgl. R. Schillmann, Geseh. der Stadt Brandenb. a. d. H. 110. 141.

**) V. Grimm, Die deutsche Heldensage, an vielen Stellen.

***) Vidsith. Deutsche Übertragung von L. EttmflUer. Zürich 1839.