\ ()0 Dr. Carl Platner, Ein Bruchstück aus der ältesten Geschichte Brandenburgs.
Herulus imos Oceani colens recessus. Et deutet auf die Heimat der Heruler an der Ostsee.
Die nächste Nachricht von den Herulern betrifft zwar einen Volksteil, der im fernen Südosten von Europa anftaucht, aber sie weist uns schliesslich doch wieder in den Norden zurück. Schon seit den Tagen des Kaisers Gallienus waren Heruler am schwarzen Meere unter den gotischen Völkern aufgetreten und hatten an deren Rauhzügen durch die griechischen Küstenländer teilgenuinmen; sie müssen sich also sehr zeitig von dem Kern ihres Volkes abgesplittert haben. Dann war dieser herulische Volksteil, einer Nachricht des Jordanis zufolge, die wieder an die Harlungensage erinnert, von dem Gotenkönig Ermanarich in einer unglücklichen Schlacht grossenteils aufgei’ieben oder doch der gotischen Herrschaft unterworfen worden (um 8fi0). Die Nachkommen der Überlebenden hatten sich dann zwischen der mittleren Donau und den Karpathen niedergelassen. Hier gerieten sie um 495 in Kampf mit den aus ihrer nördlichen Heimat ausgezogenen Langobarden, die sich damals auf ihrer Wanderung nach dem Süden in den weiten Ebenen, welche „Feld“ hiessen, zeitweilig niedergelassen hatten.*) Die Heruler wurden vollständig von den Langobarden besiegt; ihr König Rodulf fiel in dem Kampfe. Die Hauptmasse der Geschlagenen sali sich hierauf nach längeren Irrfahrten genötigt, i. J. 512 den römischen Grenzfluss, die Donau, zu überschreiten und im Römerreiche Zuflucht zu suchen; ein kleinerer Teil dagegen weigerte sich dessen. Diese Minderzahl der Heruler bestand unstreitig aus den ersten und tüchtigsten Männern; sie beschlossen, in die entferntesten Länder des Erdkreises zu entweichen. Nach dem Bericht des byzantinischen Geschichtschreibers Prokop von Cäsarea, der sich jedenfalls auf die Erzählung herulischer Söldner im Heere des oströmischen Feldherrn Beiisar gründet**), nach diesem den Ereignissen also sehr nahestehenden Berichte wandten sich die freiheitstolzen Heruler von der Donau hinweg nach Norden und Nordwesten. Unter der Anführung vieler Prinzen von königlichem Gebliite durchwanderten sie der Reihe nach die verschiedenen slavischen Völkerschaften, kamen dabei durch vieles unbewohnte Land, gelangten daun zu den Warnen, sowie weiterhin zu den Dänen, und fuhren schliesslich nach der Insel Thule hinüber, wo sie sich neben dem zahlreichen Gauten-Volke niederliessen***). Wir werden somit an die Ostsee,
*) Paulus Diaconus, Hist. Langob. I, 20; vergl. F. Dahn, die Könige der Germanen II, 8. 9. Anm.
**) F. Dahn, Prokopius v. Cäs. S. 15 ff. 26. 60 ff.
***) Procopius, de bello Goth. II, 15 . An diese Erzählung knüpfen sich noch weiter reichende Folgerungen, auf die wir jetzt nicht zurückkommen wollen. Es sei auf den im Korrespondenz-Blatt der Deutschen anthropologischen Gesellschaft, Jahrg. 1893, Nr. 2, 3 u. 4, abgedruckten Vortrag hingewiesen.