Heft 
(1897) 6
Seite
162
Einzelbild herunterladen

162 Dr. Carl Platner, Ein Bruchstück aus der ältesten Geschichte Brandenburgs.

Jahrtausend überspringen, während dessen die Wenden ihre Herrschaft über die Länder im Osten der Elbe begründet und behauptet hatten. Da scheint in dem Geschichtswerke des Domherrn Adam von Bremen, aus der Mitte des eilften Jahrhunderts eine verblasste Erinnerung an Heruler aufzutauchen. Der genannte Geschichtschreiber, ein für seine Zeit mit aussergewöhnlich umfassendem Blicke begabter Mann, bietet uns eine genaue Übersicht über die slavische sowohl wie über die skandinavisch-nordische Völkerwelt, ln seiner Beschreibung des Wenden­landes nennt er unter den übrigen slavisehen Völkerschaften zwischen Elbe und Oder auch die Ilevelder an der Havel; über dem Worte Hevelder aber ist in zweien der besten Handschriften seines Werkes die Notiz hinzugefügt: vel Heruli*). Das ist natürlicherweise nicht so zu verstehen, als ob die beiden Namen Hevelder und Heruler einander gleichgestellt werden sollten; sondern es tritt hier eine Spur zu Tage, dass in derselben Gegend, wie die Hevelder, einstmals Heruler sesshaft gewesen waren. Ja, es hatte sich wohl neben den wendischen Havel­ländern strichweis ein Grundstock herulischer Bevölkerung aus jener früheren Zeit erhalten, und die Daheimgebliebenen hatten mit ihrem Namen ein gewisses Bewusstsein ihrer nationalen Eigenart unter der langen Herrschaft der Wenden nicht ganz verloren**). Diesem Reste der Heruler also verdanken wir im Ilavellande auch die Fortpflanzung der Harlungensage, die zugleich am Harlungeberg bei Brandenburg einen festen Stützpunkt gewonnen hatte. Sie erscheint uns jetzt wie ein Nach­klang aus dem alten, längst vergessenen Heruler-Reiche an der Havel.

Dazu fügt sich folgendes. Im angelsächsischen Wanderersliede, das wir schon oben einmal angeführt haben, und dann auch in dem Epos Beowulf (Vers 521)***) wird eine Völkerschaft der Brondinge erwähnt, und zwar an der erstgenannten Stelle unmittelbar neben den Warnen. Der Name der Brondinge leitet uns in altgermanische Göttersagen hinauf: * er knüpft den Adel der Brondingefürsten an einen Göttersohn, der unter den beiden Namensformen Brand und Brondf) in den mythischen Genealogien mehrerer angelsächsischen Königsgeschlechter als ein Sohn

*) Adam Br. II, 18, bei Pertz M. G. 88. VII, pag. 312 nota e.

**) In der Sitzung des Vereins für die Geschichte der Mark Brandenb. am 12. Dezbr. 1894 (Eorechungen zur Brandb. u. Preuss. Gesch. VIII, 638) machte der Gymnasialdirektor Dr. Schwartz darauf aufmerksam, daBS gerade im Havellande noch heutzutage verschiedene uralte deutsche Bezeichnungen für gewisse Amphibien fort­leben und von einem in das Altertum zurückreichenden selbständigen Deutschtum Zeugnis geben. Auf die dortigen Überreste heidnischen Volksglaubens, die zu dem­selben Schlüsse führen, batte er schon früher hingewiesen. Vgl. auch Forschungen zur Deutschen Gesch. XVII, 488 ff.

***) Grein, Biblioth. der angels. Poesie I, 269 (in der neuen Bearbeit, v. Wülcker I, 167).

t) A und 0 wechseln im Angelsächsischen häufig mit einander.