Heft 
(1897) 6
Seite
175
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\V. Pütz, Tiefwerder und der Faule See.

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waldes in markigem Gegensatz die lichtgrüne, wasserdurchblitzte Ebene und dort, wo die alten Föhren des Murellenberges, des nördlichsten der gegen das llavelthal vorgeschobenen Diluvialhöhen des Grunewaldes zur Niederung herabsteigen, mischt sich auch das leuchtende Gelb einer Dünenreihe in das charakteristische Farbenspiel märkischer Landschaft. Malerisch erhebt sicli in reichem Blätterschmuck auf sanft ansteigender Bodenwelle das kleine Fischerdorf, und wo das bunte Gefüge von Stroh- und Ziegeldächern, schwellenden Baumkronen und freundlich auf­blickenden Giebeln nebst dem in regelloser Willkür entstandenen An­hängsel von Stall und Schuppen und dem beweglichen Fischereigerät sich zu wirkungsvollen Einzelbildern sondert, erscheint auch hier und dort, wie eine Bestätigung für unser Empfinden und alsstimmungs­volle Staffage der Landschaft das luftige Zeltdach eines Jüngers der Palette in dem grünen Gelände.

Doch die Tage so idyllischen, mit der Nähe einer Weltstadt auf die Dauer unvereinbaren Behagens werden gezählt sein, wenn das schon seit Jahren schwellende Projekt, die Insel Picheiswerder durch eine feste über Tiefwerder führende Chaussee mit Spandau zu verbinden, seine Verwirklichung erlangt haben wird. Diese Verwirklichung ist insofern bereits zum Teil erfolgt, als der Verbindungsweg mit Spandau, der zugleich den einzigen zum Dorfe führenden Landweg bildet, im ver­flossenen Sommer in eine Chaussee umgewandelt wurde. Aber noch endet die Dorfstrasse, welche als Fortsetzung der Chaussee leider bei dieser Gelegenheit ihres schönen, alten Baumschmucks z. T. verlustig ging, als Sackgasse am Südende des Dorfes*), wo das malerisch­ungezwungene Ufergehänge des a. a. Orte erwähnten Wassergrabens der modernen Kunststrasse zur Zeit noch ein, auf die Dauer freilich ohn­mächtiges Halt zuruft, während über das bisher noch unentvveihte Wiesengelände nur ein verlorener Fusspfad den Naturfreund zu genuss­reicher Wanderung an den das Flussufer säumenden Weidenbüschen entlang nach dem Picheiswerder führt.

Auch hat jenes Strassen-Projekt, welches durch die inzwischen laut gewordene Absicht der Militär-Verwaltung, zur Entlastung der engen Strassen von Spandau eine Heerstrasse nach dem neuen Übungsplatz bei Döberitz in der Nähe von Tiefwerder über die Havel zu führen, eine Verschiebung erfahren hat, grossen Ereignissen gleich, bereits seine Schatten vorausgeworfen, in Gestalt einiger, den Dorfeingang verun­zierender, moderner Zinshäuser. Welch ein unversöhnbarer Gegensatz,

*) derartig abgeschlossene Lage bietet genügende Erklärung dafür, dass

sich das in der Luftlinie nur etwa 2 Meilen von Berlin entfernte Dorf bis in die Gegenwart in ziemlich unveränderter uralter Eigenart erhalten und noch einige Reste

alter Sitten bewahren konnte, die Anlass zu besonderer Mitteilung in diesen Blättern bieten.