Heft 
(1897) 6
Seite
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Kleine Mitteilungen.

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der Stelle ein Jude erschlagen; er hatte nur 3 Pfennige bei sich*). Jeder vorübergehende Jude wirft noch heut einen Zweig auf den Haufen. Früher war der Haufen grösser; weil aber die Zahl der Juden in dem benachbarten Joachimsthal von Jahr zu Jahr abnimmt, wird er immer kleiner.

Die Stelle heisst auchder tote Mann* oderder Schweden­totschlag.

Nach mündlicher Mitteilung einer alten Frau in Joachimsthal am 8. Oktober 1896. Otto Monke.

Der Totschlag bei Branitz, Kreis Cottbus. Am 21. Juni 1888 fuhr ich in der Nahe von Branitz, dem bekannten durch die Gartenanlagen des Fürsten Pückler-Muskau verschönerten Herrensitz, mit unserem Mitglied Dr. Bolle zusammen. Bei einer Waldlichtung erblickten wir einen auffallenden Reisighaufen. Auf Befragen teilte uns der Kutscher mit, dass die Stelleder Totschlag heisse. Dort sei ein Mensch vor langen Jahren umgebracht worden, seitdem würfen die Vorübergehenden Reisig auf die Stelle. Dem Oberförster sei das lästig geworden und er habe deshalb den Weg verlegen lassen. Das vermindere allerdings das Aufhäufen des Reisigs, ganz habe es aber trotzdem nicht aufgehört.

Das Hinwerfen des Reisigs soll ursprünglich den Toten bedecken, damit er dem Anblick entzogen wird und ihn die wilden Tiere nicht verzehren. Vielleicht könnte man auch gleichzeitig an das Material zur Feuerbestattung des Toten denken, welches auf diese Weise durch milde Gaben beschafft wurde. Jetzt ist die Sitte nur mehr eine symbolische.

*) Man denkt unwillkürlich an die Verse des 1827 von Adalbert von Chamisso gedichteten, in unseren Schulen von den Kindern noch jetzt mitunter aufgesagten Ge­dichtesDie Sonne bringt es an den Tag.

7. Da kam mir just ein Jud in die Quer,

' Ringsum wars still und menschenleer:

Du hilfst mir, Hund, aus meiner Not;

Den Beutel her, sonst schlag ich dich tot!

Die Sonne bringts nicht an den Tag.

8. Und er: Vergiesse nicht.mein Blut,

Acht Pfennige sind mein ganzes Gut!

Ich glaubt' ihm nicht, und fiel ihn an;

Er war ein alter, schwacher Mann

Die Sonne bringts nicht an den Tag.

9. So rücklings lag er blutrot da;

Sein brechend Aug in die Sonne sah;

Nun hob er zuckend die Hand empor,

Noch schrie er röchelnd mir ins Ohr:

Die Sonne bringt es an den Tag.

10. Ich macht ihn schnell noch vollends stumm,

Und kehrt' ihm die Taschen um und um;

Acht Pfennige, das war das ganze Geld,

Ich scharrt ihn ein auf selbigem Feld

Die Sonne bringts nicht an den Tag.