K. Altrichter, Die Glockeninschriften von Sternebeck und Tempelhof. 187
frühen Mittelalter wurden Familiennamen, namentlich wenn sie in lateinisch verfassten Schriftstücken Aufnahme fanden, nicht selten latinisiert, eine Gepflogenheit, die sich in Gelehrtenkreisen noch viele Jahrhunderte lang erhalten hatte, so dass unser Glockengiesser wahrscheinlich im bürgerlichen lieben Veit Yogel hiess und „der Sohn“ zum Unterschiede von seinem gleichnamigen Vater.
Pie ganze Glockeninschrift würde hiernach lauten:
Sancta Anna agmen fidelium voco ad domum die doinini Jesu Christi voluntate sua luminis mundi, Amen f Vitus Avis tilius me fecit.
Ich, die heilige Anna, rufe die Schaar der Gläubigen zum Gotteshause am Tage des Herrn Jesu Christi nach seinem, des Lichtes der Welt, Willen, Amen f Veit Vogel der Sohn hat mich gemacht.
Üben habe ich angedeutet, dass der Schreiber der Inschrift mit dem Kaum etwas ins Gedränge gekommen sei. Es dürfte deshalb doch geboten erscheinen, noch einen Klick auf die wahrscheinliche Herstellung der Glockeninschrift zu werfen. Den Schlüssel dazu bietet die Korrektur an Figur 20.
Wenn nämlich der dicke erste Grundstrich durch Versehen des Glockengiesser» in den Mantel der Glocke gekommen wäre, so wäre es ein Leichtes gewesen, die Stelle wieder mit der Formmasse zu füllen und darauf das richtige Zeichen, das in der schwachen Wellenlinie vorliegt, einzugraben. Das geschah aber nicht. Es muss hiernach angenommen werden, dass eine getreue Nachbildung einer Vorlage von dar Hand eines Mannes vorliegt, der selbst weder schreiben noch lesen konnte und somit das ganze Zeichen auf die Glocke übertrug. Schon der Inhalt der Inschrift ergiebt, dass der Pastor der Verfasser gewesen zu sein scheint. Ich denke mir die Sache so, dass dieser oder sonst eine des Schreibens mächtige Person auf einen dünnen Zeugstreifen, der genau die Länge des Umfanges der Glocke in der Höhe der Inschrift hatte, mit der vorher festgestellten Inschrift bemalte, dass dann dieser Streifen von dem Former oder Giesser gegen die Glockenform gelegt und die Figuren in die noch weiche Formmasse eingedrückt oder darauf durchpunktiert und später tiefer ausgearbeitet wurden. So wird es erklärlich, dass ein verbesserter Schreibfehler samt der Verbesserung an die Glocke kam und in Figur 22 eine nur schwach durchgedrückte Verbindungslinie beim Nachholen der Schriftformen übersehen und somit die Verbindung zwischen Kopf und Fuss des d nicht sichtbar wurde. Ein erfahrener Glockengiesser würde andernfalls unter Berücksichtigung der damals jedenfalls primitiven Herstellungsweise eine bessere Aufklärung schaffen können.
Bezüglich der Zeit der Herstellung dieser Glocke wird die Zeit der Herstellung der Glocke von Tempelhof annähernde Aufklärung geben.