K. Altrichter, Der Rosenthaler Gold- und Silberfund.
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Nach fler wohl unbestrittenen Annahme der nordischen Archäologen sind die Goldbrakteaten in der Zeit vom 5. bis 8. Jahrhundert unserer Zeitrechnung angefertigt worden. Wir dürfen nun nicht vergessen, dass wir in den rohesten Ausführungen hier nicht die primitiven Anfänge einer aufblühenden Kunstübung vor uns haben, sondern im Gegenteil gerade die letzten Ausläufer einer verfallenden Kunst. Je roher also die Ausläufer sind, um so jünger, um so später müssen sie ausgeführt sein. Da nun der Rosenthaler Goldbrakteat fast alle seines Gleichen an Roheit der Ausführung übertrifft, so werden wir ihn naturgemäss auch als einen der allerjüngsten anzusehen haben. Er wird wohl sicherlich nicht vor dem 8. Jahrhundert, vielleicht sogar erst gegen das Ende desselben angefertigt worden sein.
Soweit der Bericht des Herrn Bartels.
Noch bevor mir der Inhalt der Verhandlung vom 25. Oktober 1890 zu Gesicht gekommen war, hatte ich Gelegenheit gehabt, im Märkischen Provinzial-Museum zu Berlin den Gold- und Silberfund von Rosenthal eingehend zu studieren. Ich hatte mir davon eine genaue Zeichnung gefertigt., um daran nach Zeit und Gelegenheit meine Betrachtungen fortzusetzen. Nach den mir von den Museumsbeamten mitgeteilten allgemeinen Fundverhältnissen war mir es zweifellos, dass es sich um Kunstprodukte aus vorgeschichtlicher Zeit oder mindestens aus einer Zeit handelte, die dieser sehr nahe lag. Deshalb erschien es mir notwendig, zunächst einen Standpunkt zu finden, von dem aus die Stücke
Stellung gebracht. Dieses Verstehen ist aber eine bleibende Fähigkeit geworden, was darin seinen Ausdruck gefunden hat, dass man aus dem zweiten Vogelkopf eine Wellenlinie herausgehen liess. Die Wellenlinie bedeutet fliessendes Wasser. Flüsse und Bäche fliessen ohne je abzulaufen. Was aus dem Kopf des ersten Vogels kam, ging durch den Kopf des Mannes, wurde verstanden und dies Verstehenkönnen geht wie ein fliessendes Wasser ohne je aufzuhören fort. Das Verstehen der Vogelsprache ist somit eine bleibende Fähigkeit. Wenn in anderen Darstellungen ein zweiter Vogel hinter dem Mann dargestellt ist, der auf einem Baume sitzt, so scheint dies auf die Darstellung der Edda (Hans von Wolzogen: „Die Edda“, Beclam No. 781—784, S. 299) hinzuweisen, nach der nicht weniger als 12 Adlerinnen nach Fafnirs Tötung durch Siegfried zu Worte kamen. Zwecks Baumersparnis erscheinen nur deren zwei in der bildlichen Darstellung. Zwar könnte man annehmen, obwohl kein erkennbarer Grund dafür vorliegt, dass dieser zweite Vogel in missverständlicher Auffassung des sogen. Helmes, als Verzeichnung, angebracht sei. ■— Übrigens ist der Drache als auf der Erde liegend aufzufassen. Dort liegen auch die durch drei Punkte angedeuteten Blätter, von denen eins, als Sigurd sich im Drachenblut seine TJnverwundbarkeit holte, ihm zwischen die Schultern zu liegen kam, sodass er an dieser Stelle, wohin das Drachenblut nicht drang, verwundbar blieb.
Ich finde auch hier keine Spur der S. 523 „d. Verb.“ angedeuteten Verrohung, sondern die sorgfältigste Durchführung einer Hauptidee unter leisen Hinweisen auf nicht unerhebliche Nebenerscheinungen. D. Verf.