K. Altrichter, Der Rosenthaler Gold- und Silberfund.
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Gliedmassen. In Figur 7 tritt, ein unverkennbarer Fortschritt hervor. Das Wichtigste ist am grössten, der Kopf des Mannes; mit dem llerabgehen der Bedeutung der einzelnen Stücke verringert sich ihre Ausführung. Ich will dies somit nicht als einen Mangel an Fähigkeit im Zeichnen aufgefasst wissen, sondern als die Folge eines Denkprozesses; ähnlich wie vom modernen Künstler Nebensächliches im Durchschnitt oberflächlich behandelt wird, ist die Sache auch hier aufzufassen. Deshalb könnte es auch in Figur 14 die Frage sein, ob man in dem Kopf auf einem Pferde das Erzeugnis einer heruntergekommenen Kunst oder die Absicht zu erblicken hat, dem Anschauenden das für die Darstellung Bedeutungsvollere, den mit einer besonderen Begabung erfüllten Beiter nur in seinem Kopf und das Pferd als notwendiges Attribut vorzuführen. Fast möchte ich mich für das letztere entscheiden. Warum? Der am Ende der Kopfbedeckung dargestellte Vogelkopf weist wieder auf Sigurd, der die Sprache des Vogels verstehen gelernt hat. Sigurd ist wahrscheinlich eine Symbolisierung des Baldur und das Pferd ein Asenpferd. Beide Stücke ergänzen sich und sind zu verstehen, ohne dass man den Reiter sieht. Es ist eine Art aphoristischer Darstellung. Ohne weiteres könnte man dies nicht als einen Niedergang der Kunst bezeichnen; es sieht mehr aus, als sollte durch eine solche Darstellung nur dem Wissenden etwas geboten werden, während der Nichtwissende nichts hineinzulegen und nichts herauszulesen vermag. Auf diesen Punkt komme ich später zurück*), da auch Anzeichen zur Unterstützung einer entgegenstehenden Ansicht vorliegen. Wenn man mm von dem angedeuteten Standpunkt aus die Zeichnung des Rosenthaler Goldbrakteaten, die in Fig. (5 vergrössert dargestellt ist, betrachtet, so drängt sich einem ganz von selbst die Erkenntnis auf, dass man es hier mit einer Linearzeichnung nach Analogie von Figur 1 bis 4 zu tlnin hat. Die Punkte finden, ohne dass man darnach sucht, eine Erklärung, nur lässt sich bemerken, dass Gliederungen hervortreten, die starke Anklänge an die Gestalten in Figur 13 enthalten. Die Ausführung selbst aber ist so überaus regelmässig und in gewissem Sinne schön, dass man sich von vornherein versucht fühlt, die Zeit der Herstellung in diejenige nach Anfertigung der Aisengemme zu stellen. Doch darüber später einige Bemerkungen.
Den Fall gesetzt, die Linien auf Figur ß bedeuten Leiber oder Glieder, die Punkte Köpfe oder Endglieder, Hände, Fiisse oder dergleichen, so lässt sich das Gewirr wie folgt auflösen:
Nimmt man bei Punkt a den Kopf eines Menschen an, so ist ohne weiteres klar, dass seine geradlinige Fortsetzung bis zu der schraffierten
*) Die Bilder 8, 9, 14 sind aus Hellwald's „Der vorgeschichtliche Mensch“ S. 647, Fig. 13 ist S. 248, Band von 1888 der Verh. der anthrop. Geselisch., entnommen.