Heft 
(1897) 6
Seite
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K. Altricliter, Der Rosentlialer Gold- und Silberfund.

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Überträgt man das Doppelgesicht auf den hier vorliegenden Doppel­schnabel, so würde man in diesem Vogel sehr wohl den weissagenden Vogel wiederlinden, der auf Figur 6 in f dargestellt ist.

Dieser Vogel kehrt immer in sitzender Stellung wieder. Ist er einmal fliegend dargestellt, so ist der Hinweis auf den Einfluss des Christentums nahe liegend, welches symbolisch den heiligen Geist in einer fliegenden Taube zur Darstellung bringt. Der innere Zusammen­hang zwischen diesen sinnbildlichen Darstellungen der inneren Er­leuchtung ist unverkennbar.

Nach der heidnisch-germanischen oder wohl richtiger nordischen Vorstellung stand oder sass der Vogel. In dieser Stellung treten die Ecken der Flügel, woran die Schwungfedern befestigt sind, ähnlich wie die Schultern an der Figur des Menschen aus dem Oval des Körpers hervor. Ich linde in Figur 12 dieses Hervortreten durch die Ecken angezeigt, über denen sich die kleinen Pfeile befinden und in der Fibel Figur auf beiden Seiten vollständig erhalten sind. Sieht man sich diese Ecken im Zusammenhänge mit der Zeichnung an, wie sie den etwas vorgewölbten Rumpf begleitet, so kann man in den daneben her­laufenden Linien sehr wohl die Andeutung der an dem Körper an­liegenden Schwungfedern erkennen. Man muss sich dabei immer gegenwärtig halten, dass man in allen diesen Figuren und Linien das zu sehen haben wird, was man in der Kunst stilisiert nennt.

Die Platte der Fibel stellt mithin einen sitzenden doppelt- gesclmabelten Vogel dar. Die Darstellungsweise selbst ist als Anfang der später immer deutlicher hervortretenden Stilisierung eines Vogels zu bezeichnen und zwar derjenigen des sitzenden Doppel-Adlers. Wenn man sicli vorstellt, dass ein solcher sitzender Vogel die Flügel lüftet, um aufzufliegen, erhält man zweifelsohne eine Figur wie die in Nr. 12. Es wird hieraus unschwer die Entwickelung zu dem in Nr. 11 darge­stellten stilisierten Adler der Frühgotik*) gefunden werden können, wie er nicht selten neben den Portraits mittelalterlicher Fürsten dar­gestellt ist. Ich verweise besonders auf die von der Darstellungsweise der Neuzeit abweichende Stellung der Ständer auf Nr. 11 hin, die durchaus derjenigen in der Fibelplatte entspricht.

Wer mit einiger Einbildungskraft beglückt ist, wird sich nun ohne Mülie die Entstellung des alten deutschen und anderer Doppeladler erklären können.

IV.

Zeitbestimmung.

Oben habe ich versucht den Nachweis zu erbringen, dass der Brakteat einer Zeit angehört, in der das Christentum in Norddeutschland

*) Der Adler ist entnommen derWappenfibel von Ad. M. Hildebrandt.