Heft 
(1897) 6
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K. Altrichter, Der Eosenthaler Gold- und Silberfund.

nicht nur Fuss gefasst, sondern schon Verbreitung gefunden hatte, einer Zeit, in der trotzdem die heidnischen Anschauungen noch sehr lebhaft umgingen und der Künstler sich genöthigt sah, eine Inst an­zuwenden, um die Wachsamkeit der Priester zu täuschen. Ich bin ge­neigt die Entstehungszeit des ßrakteaten in die Blütezeit des Düringen­reiches zu legen, das sicli damals weit nach Osten und bis zur Nieder­elbe erstreckte. Dieses Reich wurde in der Zeit um 725 endgiltig christianisiert. Es wäre doch der Fall sehr gut denkbar, dass aus diesem christlichen Reiche dort hergestellte Brakteaten, sei es als verwandtschaftliche Geschenke, sei es durch Handelsbeziehungen an einzelne nach Osten vorgeschobene oder zurückgebliebene germanische Bevölkerungsteile gelangt sind. Bei dem verwendeten Material hin­wiederum ist es ebenso denkbar, dass ein solcher Brakteat ein Jahr­hundert lang und länger sich in einer Familie fortgeerbt hat, ohne dass erhebliche Spuren des Gebrauches zurückgeblieben sind, so dass der Annahme nichts entgegensteht, dass der Brakteat von weiter her schon viel früher an die Familie gelaugte und der letzte Inhaber vielleicht doch erst im 7. Jahrhundert mit seinem Kleinod beerdigt wurde. Auf eine noch spätere Zeit möchte ich nicht gern zurückgehen mit Rücksicht auf die gleichzeitig an derselben Stelle gefundene Fibel. Ihre starke Abnutzung bis zur teilweisen Zerstörung, ihre schon einmal stattgehabte Ausbesserung sprechen für einen langjährigen Gebrauch, ihre sinnbild­liche Darstellung hinwiederum auf sehr starke heidnische Auflassung, indem durch den Doppelschnabel entschieden auf den weissagenden Vogel hingewdesen ist, sodass man sehr wohl auf eine Einführung aus dem noch heidnischen Nordwesten, vielleicht durch Sachsen schliessen kann. Das würde annähernd die Zeit sein können, zu der zwischen Weser und Elbe das Christentum festen Fuss gefasst hatte, sodass vielleicht nur ein Menschenalter zwischen der Herstellung beider Stücke liegt. Es ist deshalb m. E. gar nicht nötig, wie Herr Bartels gethan, einen augenfälligen Niedergang in der Kunst der Brakteatenherstellung anzunehmeu, der ziemlich künstlich aus der Beschaffenheit des vor­liegenden Brakteaten konstruiert ist. Eher wohl könnte man eine Ver­rohung dieser Kunst in dem in Figur 14 dargestellten Brakteaten erblicken. Dort sind nämlich auch die beiden Runenzeichen wie auf 5 sichtbar, aber als solche nicht mehr erkennbar. Das schräge Kreuz ist zu einem Stern, das andere Zeichen in veränderter Lage zu einer Figur wie eine Pincette geworden. Das spricht für ein Missverständnis der Figuren, wie es in einer im Niedergang begriffenen Kunst Vorkommen kann. Das ist eine Erscheinung, wie ich sie in meinem Vorträge in derBrandenburgs vom 22. Juni 1892*) über die Taufselnissel-

) Siehe Notiz S. 68 <1. Monatsblatts d. Gesellsch. für Heimatkunde, I. Jahrg. 1892/03.