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Eine Wendenhoehzeit.
er dem russischen Botschafter Graf Schuwalow zutrank, während die Musik die russische Nationalhymne spielte. Bald darauf erhob sich der Botschafter, dankte und brachte die Gesundheit des preussischen obersten Kriegsherrn aus.
Eine Wendenhochzeit.
Mein Weg führt mich in den wenig oder nie von Fremden besuchten Teil der Wendei unweit des Städtchens Peitz, welches aus seinen grossen Karpfenteichen nah und fern mit dem beliebten Fisch versorgt. Auf offenem Korbwägelchen gehts nach jenem weltentlegenen, urwendischen Stückchen Erde. Wohin das Auge über die weite Ebene schaut: Felder, Wiesen und kleine Waldungen, am Horizont begrenzt von der Königlichen Forst. Endlich, nach einstündiger Fahrt taucht hinter einer Fichtenschonung mein Keiseziel, das freundliche, grosse Wendendorf Drachhausen, auf. Lang gestreckt, präsentiert es sich mit seinen „Ausbauten“, seinen massiven, ziegelgedeckten Bauernhöfen, seiner freundlichen, ganz neuen, im Winter erst eingeweihten Dorfkirche, einem geschmackvollen märkischen Rotbau, gotisch, mit spitzem, schiefergedecktem Turm, ungemein anmutend.
Kurz vor dem Dorfe biegen aus einem Seitenweg einige offene Bauernwagen in die Landstrasse ein. Festlich geschmückte, junge, fröhliche Mädchen darauf in ihrer malerischen Tracht, die aber ungleich schöner hier erscheint als in Berlin, wo sie oft den Eindruck eines Maskenkostümes macht. Statt der Kopftücher tragen sie den grossen Kirchkopfputz, d. h. das grosse, dreieckig umgelegte weisse Damasttuch, dessen Zipfel nach rückwärts gelegt sind, und die mächtige, steife Halskrause, so dass das gänze Gesicht wie aus einem weissen Rahmen schaut. Die Tracht der Burschen ist dunkel und unscheinbar; nur die beiden auf Pferden einherreitenden Brautdiener erscheinen mit buntseidenen, langflatternden Bändern undKnopflochsträussen geschmückt. Am Eingang des Dorfes sind bekränzte Stangen aufgestellt, und Guirlanden ziehen sich über die Strasse, denn Hochzeit giebt’s im Dorfe, und zur Hochzeit kommen jene Wagen mit den Güsten. Vor den Thüren schauen alte und junge Frauen, Mädchen und Kinder den Kommenden nach, die auf dem grossen, freien Dorfanger, an dessen Ende sich die Kirche hinter dem Pfarr- hause erhebt, Halt machen. Das Thor des zunächstliegenden grossen Bauerngehöfts trägt ebenfalls reichen Guirlandenschmuck, es ist das Haus des Bräutigams, eines begüterten, verwitweten Grossbauern, dessen Wirtschaft und zwei halberwachsene Kinder wieder einer weiblichen Leitung bedürfen.
Mit einem wendischen Segensspruch werden dort die Gäste begrüsst und gebeten, einzutreten. In der grossen Wohnstube, in der die Bank um den dunklen Kachelofen nicht fehlt, in der die Truhen stehen, die den prächtigen Staat der wendischen Frauen bewahren, ist ein langer Tisch sauber mit blütenweissem Tuch bedeckt, und ehrbare, sonnenverbrannte Männer, die übrigens fast ausnahmslos alle ganz bartlos sind, junge blühende Mäd-