Eine Wendenhochzeit.
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chen, Fruuen und Kinder sind versammelt. Grosse runde Brote, Salz, Butter und Käse, Blechkuchen, einige Gläser mit leichtem, braunem, sogenanntem Lübbener Bier gefüllt, Kaffeekannen und Tassen, Milch, Sahne, Zucker u. s. w. sind aufgestellt, und die althergebrachte wendische Gastfreundschaft macht es den Gästen zur Pflicht, vor allen Dingen Brot und Salz zu kosten. Während Männer und Burschen einen leichten Ingwer nicht verschmähen, ist den Frauen und Mädchen eine Tasse sehr guten Kaffees nach der Fahrt in dem kalten Wetter recht willkommen. Mitten im Zimmer steht jetzt die Braut. Sie soll einer reichen, grossen Wirtschaft vorstehen, sie repräsentieren, was dadurch geschieht, dass sie jeden Sonntag in möglichst anderem Staat, Rock, Kopf- und Halstuch und Schürze zur Kirche geht. Zehn verschiedene, prächtige, bunte Röcke mit breiten, buntseidenen Bändern besetzt, haben die wendischen Schneider ihr gearbeitet; durch und durch mit Leinwand gefüttert, ist es für Frauen unmöglich, die Röcke zu nähen. Die wendischen Frauen tragen nie weisse Schürzen, nur bunte, und die reichen meist seidene.
Die Braut trägt einen schweren, schwarzen Tuchrock, eine breite, prachtvolle, schwarze Atlasschürze und schwarze Tuchjacke (die W T endinnen gehen nie ohne Jacke zur Kirche), aber über dieser das weisse Spitzenhalstuch, das sonst unter derselben getragen wird; weisse Strümpfe und schwarze Lackschuhe. Über dem weissen, oben beschriebenen Kirchkopfputz prangt die grüne Brautkrone, in der unbehandschuhten Hand trägt sie ein grosses,
gesticktes, weisses Taschentuch und-den Regenschirm. Die Burschen
und Männer verlassen das Zimmer, die Braut und Brautjungfern bleiben. Und nun erscheinen die beiden Brautdiener, die in wendischer Sprache dem Mädchen erzählen, dass ihr Freund eine Frau suche und sie geträumt hätten, hier sei eine Braut für ihn.
Sie möchten diese nun herausgeben. Die Mädchen bestimmen einen Preis für die Braut, der den Burschen zu hoch ist, es folgt ein förmlicher Handel, bis unter Scherz und Lachen die Braut gekauft ist. Den Kaufpreis teilen die Brautjungfern unter sich.
Inzwischen — der standesamtliche Akt hat bereits Morgens vor dem Amtsvorsteher stattgefunden — beginnen mit schönem Klang die Kirchenglocken zu läuten, und der Zug geht zur Kirche, Die Braut geht zwischen den Brautdienern, gefolgt von den Brautjungfern und der Schar der Gäste. Beim Eintritt in das schöne, freundliche Gotteshaus ertönt Orgelspiel, und vor dem Altar wird die Braut an den Bräutigam abgetreten. Letzterer ist ganz schlicht in einen langschössigen, schwarzen Tuchrock gekleidet, die Schirmmütze hält er in der linken Hand. Das Brautpaar steht, während die Gäste im Gestühl Platz nehmen. Während der Trauung nimmt eine Freundin der Braut den Regenschirm ab, wie bei unseren städtischen Hochzeiten die Braut der ersten Brautjungfer den Strauss giebt. Es folgt eine schöne, zu Herzen gehende Traurede des Ortspfarrers.
Die Trauung wird ohne Ringwechsel vollzogen — die wendischen Bauern tragen keine Trauringe — der Weihespruch erfolgt auf die zusammengelegten Hände.
Unter Gesang und Orgelspiel geht nun das Paar, von allen Gästen gefolgt, um den Altar, auf den jeder seine Gabe, „das Opfer“, niederlegt. Dann
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