Heft 
(1897) 6
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Die Grabstätte Ludwigs des Römers.

Ist uns somit die Möglichkeit benommen, selbst*) die Tafel nach ihren Schriftzügen auf ihr Alter hin zu untersuchen, so bleibt uns nichts weiter übrig, als aus dem Texte, dessen Wortlaut uns ja ziemlich genau über­liefert ist, einige Schlüsse zu ziehen. Da ist es nun jedem, der sich mit solchen Dingen irgend einmal beschäftigt hat, sofort klar, dass wir es hier nicht mit einer Grabinschrift im eigentlichen Sinne zu thun haben. Zu einer solchen gehört vor allen Dingen die Angabe des Todestages, die für beide, den Fürsten sowohl wie für seine Gemahlin, fehlt, und ganz aussergewöhnlich würde es sein, dass für beide, die doch zu verschiedenen Zeiten gestorben sind, nur eine Grabinschrift gesetzt wäre; auch würde wahrscheinlich auf einem wirk­lichen Epitaphium des tragischen Schicksals der jungen Fürstin, die bald nach ihrer Verheiratung, noch in demselben Jahre, starb, wenigstens kurz gedacht worden sein.

Alle diese Bedenken schwinden, wenn wir in jenem sogen. Epitaphium nichts weiter als eine einfache Kircheninschrift sehen, wie sich deren gerade in der Klosterkirche und den dazugehörigen Bauten mehrere erhalten haben**). In den letzten Jahrhunderten des Mittelalters hatte sich nämlich die Sitte herausgebildet, wichtige Ereignisse, welche die Kirchen resp. die Gemeinden betrafen, auf Tafeln, Gesimsen oder sonst an auffälligen Punkten der Gottes­häuser zu verzeichnen, damit die Erinnerung daran den kommenden Geschlechtern aufbewahrt bliebe. Solche kurzen Inschriften vertraten an minder bedeutenden Orten das, was für die Bischofssitze und andere Centren der Bildung die litterarischen Aufzeichnungen waren. Trat nun der Fall ein, dass die Kirche durch eine Feuersbrunst oder ein anderes elementares Ereignis verwüstet wurde, dann pflegte man bei der Restauration des Ge­bäudes auch die alten Inschriften, manchmal wohl bloss nach dem Gedächtnis, wiederherzustellen. So zeigt z. B. die Inschrift der Klosterkirche, welche von der Schenkung des Grundstückes durch die Markgrafen Otto und Albrecht im Jahre 1271 und von einer etwas späteren Dotation an das Kloster berichtet, Schriftzüge, die dem 15. Jahrhundert angehören, f) Ja, man kann sich dem Verdacht nicht verschliessen, dass Begebenheiten, deren Gedächtnis sich bis dahin nur mündlich verpflanzt hatte, erst Jahrhunderte, nachdem sie ge­schehen, auf diese Weise öffentlich verzeichnet und damit gewissermassen als beglaubigte Thatsachen hingestellt worden seien. Und dann hat sicherlich der fromme Eifer und die gläubige Phantasie der Kirchendiener noch so manches hinzugedichtet, was den Thatsachen nicht entsprach! So sind die famosen Grabinschriften in der Marienkirche zu Brandenburg, die man bisher als eine Fälschung des Georgius Sabinus (150860) angesehen hat, jedenfalls schon im 15. Jahrhundert entstanden, was man ohne Schwierigkeit aus seinen

*) Man wende nicht ein, dass Angelus von eineralten Tafel spricht. Ein solcher Ausdruck in dem Munde eines Schriftstellers des 16. Jahrhunderts will wenig bedeuten. So sagt z. B. der Pfarrer Dionysius (amtiert in Hohen-Schlentzer bei Jüterbog von 15861626), er habe seine Treuenbrietzener Chronik ex antiquo codice abgeschrieben, und doch erwähnt diese Ereignisse aus d. J. 1537, cf. weiterhin S. 249 f.

**) Cf. R. Borrmann a. a. 0. 8. 195; 200 f.

f) R, Borrmann, a. o. 0. S. 195.