Heft 
(1897) 6
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Kleine Mitteilungen.

wenn der Pfarrer Dionysius*), dem wir die Erhaltung dieses Fragments verdanken, erzählt, er habe dasselbe ex antiquo codice abgeschrieben: wir wissen, dass man zu jener Zeit mit diesem Ausdruck sehr freigiebig war. Wichtiger erscheint uns die Bemerkung, dass er manches nicht habe lesen oder verstehen können: er hatte eben die ersten flüchtigen Notizen vor sich, die im 16. Jahrhundert sich jemand, welcher sich für die Geschichte von Treuen- brietzen interessierte, gemacht hatte.

Rathenow, Brandenburg, Beelitz, Treuenbrietzen diese Städte bilden eine Reihe für sich. Aber auch die soeben besprochenen Chronisten nehmen eine eigenartige Stellung in der historischen Litteratur des 16. Jahrhunderts ein. Deutlich sondern sie sich ab von einer älteren Gruppe von Historikern oder solchen, die es zu sein glaubten: es ist dies der Frankfurter Kreis, der sich um Sabinus schart und aus Männern wie Wolfgang Jobst, Reiner Reineccius, Joh. Schosser, Bernhard Holtorp u. a. besteht. Diese berück­sichtigen als Vertreter der Kurfürstlichen Universität besonders die Familie des Landesherrn oder verherrlichen in Versen auf überschwängliche Weise die einzelnen Mitglieder derselben: es sind entweder Genealogisten oder Panegyriker. Aber ebenso sehr unterscheiden sich jene Chronisten von einer jüngeren Generation, die durch Leutinger, Angelus und Hafftitius repräsentiert wird. Dies sind sozusagen Litteraten aus Not (wieHafftiz) oder aus Neigung (wie Leutinger u. z. T. auch Angelus) und schreiben für das grosse Publicum; sie treiben mehr oder weniger alle Plagiat, es bezichtigt aber der eine den andern dieses Vergehens, ohne an sich selbst zu denken.

In der Mitte zwischen diesen beiden Gruppen, und nicht blos zeitlich, stehen nun Männer wie Creusing und Gartz. Bei aller Verehrung für den Landesherm und seine Familie suchen sie doch zunächst den Interessen der Bürgerschaft zu dienen, indem sie, wenigstens bei den Gebildeten und denen, die die Stadtverwaltung in Händen haben, den Sinn für Geschichte zu erwecken suchen, in dieser Beziehung getreue Jünger ihres grossen Wittenberger Lehrers Phil. Melanchthon**). H. Pieper.

Kleinere Mitteilungen.

Die Dorfstelle Alt-Lindow bei Bernau. Am Sonntag, den 12. Sep­tember 1897 unternahm Herr Geheimrat Friedel in Begleitung des Herrn Maurerund des Verfassers, sämtlich aus Berlin, sowie der Herren de Martincourt und A. Wernicke aus Bernau einen Ausflug nach der l /a Stunde südlich von Bernau gelegenen wüsten Dorfstelle von Alt-Lindow. Das ehemalige Dorf, dessen Feldmark 5266 Morgen (1344 ha) oder 84 Hufen umfasste, gehört wie Alt- Liepnitz zu denjenigen Ortschaften in der Umgebung von Bernau, welche bereits vor dem 30jährigen Kriege, ja noch vor dem Hussitenzuge von 1432

*) Amtierte von 1586 bis 1626 in Hohen-Schlentzer bei Jüterbog, cf. Riedel, a, a. O. S. XXIII.

**) Selbst in demFragment einer Brandenburg-Brietzenschen Chronik wird inmitten von Brietzener Ereignissen die Gründung der Universität zu Wittenberg er wähnt,