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10. (8. ausserordent.) Versammlung des VI. Vereinsjahres.
fachster Formen ist liier zusammengesetzt zu einem Felsgrund, so bunt und wirr, so eigenartig, dass der Blick anfangs wie ratlos von einem Stein zum andern irrt, bis das Auge sich an das Ganze gewöhnt und darin die ordnende Künstlerhand erkennt. Tritt man näher, so bemerkt der Kundige mit Verwunderung eine Vereinigung der verschiedenartigsten Steinarten, hierher zusammengebracht nicht nur aus allen deutschen Gauen, sondern auch aus den fernsten Ländern und Erdteilen. Der Basalt Sachsens lagert neben dem Eisenerzblock aus Missouri, der Marmor des Appennin neben dem Marmor aus Kansas, der Kalkstein Rheinhessens neben dem Findlingsblock der norddeutschen Tiefebne, der Marmor Californiens neben dem Granit aus der Heide Hannovers und dem Sandstein des Schwarzwaldes.
Das sind die Gaben, welche die deutschen Turner aller Orten dem Alten im Barte dargebracht, die sie zum teil „mit wunden Schultern“ selbst von den Bergen herabgeholt und nach Berlin gesandt haben, damit aus ihnen ein Malhügel emporwachse, auf dem der alte Jahn für alle Zeiten fest und sicher stehen könne, als Beweis der Dankbarkeit gegen den Vater der Turnkunst, zugleich aber auch als sichtbares Zeichen der geistigen Zusammengehörigkeit aller deutschen Turner, ob sie im Vaterlande oder weit in der Ferne und Fremde leben. Nur ein Deutscher konnte einen solchen Gedanken erfassen, nur Deutsche konnten ihn ausführen.
Es ist dieser Steinhügel aber auch eine Geschichte im „Lapidarstil“, wie sie nicht wieder gefunden wird. Jene Steinmassen von den Gestaden des Bodensees, der gewaltige rohe Granitblock vom Hünengrab bei Osnabrück, führen sie uns nicht in die Urzeit zurück, „da die Väter noch in ihren Wäldern lebten,“ sind die Steine aus dem Teutoburger Wald nicht Zeugen gewesen, wie deutsche Tapferkeit die „frech gewordenen“ Römer mit deutschen Hieben zuri'ickwies? Und der Granit, den die Turner Bremens aus der Grundmauer ihrer ältesten Kirche hergesandt, giebt er nicht Kunde von der frühesten Zeit christlicher Lehre und Gesittung in unserem Vaterlande? Aber nicht kampflos brach das Christentum sich Bahn. Der Granit von den Müggelsbergen bei Berlin erzählt von dem Wendenfürsten, der unter ihm sein Grab gefunden, von den Geistern erschlagener wendischer Heiden, den zähesten und hartnäckigsten Gegnern der neuen Lehre, die noch jetzt in gewissen Nächten dort umgehen sollen.
Giebt es würdigere Vertreter der deutschen Kaiserzeit, als die Steine von Königslutter, vom Hohenstaufen, vom Kyffhäuser, vom ILohenzollern? Dort in der alten Bfeilerbasilika zu Königslutter liegt der tapfere Kaiser Lothar begraben. Ihm folgte das gewaltige Kaisergeschlecht, das vom Hohenstaufen herabgestiegen war. Der gewaltigste aber, Kaiser Rothbart, sitzt im Kyft'häuser und träumt von der deutschen