Heft 
(1897) 6
Seite
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11. (3. ordentl.) Versammlung des VI. Vereinsjahres.

sich insbesondere gegen Dr. W. Hammers Schrift:Ortnamen der Provinz Brandenburg. 2 Teile. (Wissensch. Beilage zum Jahresbericht der IX. Realschule, Berlin 1894 1895)*) die sich mit den slavischen Ortnamen beschäftigt.Wie aus den eigenen Worten des Herrn Dr. H. hervorgeht, so sagt May, nimmt er ohne Bedenken, der landläufigen Ansicht gemäss, an, dass jene Ortnamen slavischer Herkunft und heute, 9C0 Jahre nach wiedergeherstelltem deutschen Vollbesitz des Landes, noch erhalten geblieben seien. Es liegt dieser Annahme etwas geschichtlich Richtiges zu grund: zu allen Zeiten und in allen Ländern wurden die bestehenden Eigennamen, also auch die vorhandenen Ortnamen (selbst in eroberten Ländern) von den Eroberern oder Neuansiedlern bewahrt und höchstens der Aussprache der neuen Besitzer äusserlich angepasst. Im vorliegenden Fall wird aber ein wesentlicher Umstand ganz über­sehen. Das, was hier beim Uebergang aus slavischem Teilbesitz in deutschen Vollbesitz im 11. Jahrhundert von Dr. 11. und den anderen Slavisten mit Recht für selbstverständlich angenommen wird, gilt mit vollem Recht auch für den Uebergang der uraltgermanischen, vor- slavischen Herrschaft in den slavischen Besitz, im sechsten Jahrhundert! Folglich haben auch die Slaven die im (5. Jahrhundert dort Vorgefundenen germanischen Ortnamen bis zu ihrem Abzug oder bis zum Wiederüber­gang des Landes in deutsche Hand im elften Jahrhundert bewahrt und sind diese Ortnamen darum altgermanisch.

May schliesst:In diesem I. Teil der Dr. H.schen Schrift über die angeblich slavischen Orte der Provinz Brandenburg hat sich hiernach (wie auch im II. Teil) kein einziger Ortname als nicht germanisch erwiesen.

May giebt selbst zu, dass durch die Völkerwanderung die Bevölke­rung unserer Gegend (Goten, Vandalen, Burgunder, Rugier, Lango­barden) zeitweise sehr verringert und das Land dadurch stellenweis ganz entvölkert worden sei. Wo letzteres der Fall, wird sich auch kein Ortsname erhalten haben können. Ferner, wenn man mit dem seligen Dr. C. F. Riecke auch in Norddeutschland keltische Urbevölkerung annimmt, so wird man, nach Mays eigener Theorie, versucht sein können, die angeblich germanischen Ortsnamen als urkeltische zu er­klären. Wir können diese linguistischen Streitigkeiten, die von Zeit zu Zeit auftauchen und in denen nicht selten die Waage zwischen Vera Falsis mixta beziehungsweise Falsa Veris mixta hin und her schwanken mag, getrost denjenigen, welche sich als die hier Berufenen betrachten, über­lassen. Mit Recht haben andere darauf hingewiesen, dass man vom Urslavischen fast nichts und vom Urgermanischen oder Urkeltischen herzlich wenig kennt, also garnicht weiss, wie die ältesten Ortsnamen

*) Vgl. die ausfiihrl. Bespr. des I. Teils im Monatsblatt III. 1895 S. 114.