Heft 
(1897) 6
Seite
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Otto Pniower, Bartholomäus Krüger.

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am meisten gelungenen zu betrachten sind. Lebendig schildert er im dritten Akt den Totensclmiaus beim Schulzen (v. 1153 f.) und das sich anschliessende Kartenspiel (v. 1237 f.), bei dem er technische Einzel­heiten anzuführen nicht unterlässt (v. 1237, 1264, 1267, 1280), auch die dabei heute noch übliche Unterhaltung nicht vergisst (v. 1259 f.).

So könnte man ihn einen Genremaler unter den Poeten nennen, dem es in trefflicher Weise gelungen ist, einen Ausschnitt aus dem Leben seiner Zeit zu geben: wir nehmen den gedrückten Zustand des kleinen Bürger- und kleinen Bauerntums wahr, das unter dem Treiben der Landsknechte seufzt, bei der Obrigkeit vergebens Schutz sucht, sie aber doch, eingeschüchtert wie es durch die Leiden der Zeit ist, fürchtet und so noch ihre Tyrannei zu erdulden hat.

Ich bin bei diesem Drama länger verweilt, um an ihm Art und Wesen der Krügerschen Muse zu zeigen. Ich kann mich bei der Charakteristik der andern Dichtungen kürzer fassen. Das zweite in demselben Jahr 1580 erschienene Drama zeigt freilich ein sehr viel anderes Gesicht als das bisher besprochene. Behandelte jenes einen irdischen Vorgang, so bewegt sich dieses vorwiegend im Himmel und in der Hölle und kehrt nur zuweilen auf die Erde zurück. Spielte jenes in der Gegenwart, des Dichters, so umfasst dieses alle drei Zeiten: Ver­gangenheit, Gegenwart und Zukunft. War dort das weltliche Treiben von einem einzelnen Vorgang aus dargestellt, so werden uns hier geistige und geistliche Dinge vorgeführt. Handelt es sich dort um das Schicksal weniger Menschen, so hier um das Schicksal der gesamten Menschheit. Das Drama heisstVon dem Anfang und Ende der Welt und giebt. ein Bild von der Entwickelung der Menschheit vom Stand­punkt des christlichen Religionsgedankens aus.

Es beginnt mit der Empörung Lucifers, der seinen Stuhl zwischen Gottvater und Christus zu setzen sich erkühnt. Er wird mit seinen Genossen in die Hölle gestürzt. Damit timt sich der Gegensatz auf, der die ganze Weltgeschichte erfüllt. Von Lucifer geht alles Böse, die Sünde aus, Gottvater und Christus, stets wachsam für das Wohl der Welt, wehren sie ab und schaffen das Gute. Dieser Dualismus ist die Angel des Dramas, das über die Gegenwart hinaus mit einem Bilde der Zukunft endet.

Natürlich muss sich, wenn der Dichter einen so ungeheuren Zeit­raum in fünf Akte spannt, die Handlung in gewaltigen Sprüngen vor­wärts bewegen. Auch kann nicht alles dramatisch verkörpert werden, vielfach muss Krüger zur Aushilfe der Erzählung greifen.

Die gestürzten Engel suchen dadurch Rache zu nehmen, dass sie Adam und Eva zum Ungehorsam gegen Gott verleiten. Der Sohn Gottes aber legt sich ins Mittel. In einer dramatisch bewegten Scene, in der die Personifikationen Justitia und Veritas die Strafe fordernden Ankläger