Heft 
(1897) 6
Seite
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Otto Pniower, Bartholomäus Krtiger.

widersteht er und bleibt fest. Schliesslich wird er von den Teufeln vor das Gericht Gottes geschleppt. Aber das Sündenregister, das sie über­reichen, wird von den Engeln zerrissen, die dem Verklagten die Krone aufsetzen.

Sih, Jesus Christus, Gottes son

Christophore, schickt dir die krön,

die du recht wol gewonnen heut

durch deinen ritterlichen Streit. (Akt IV v. 660 f.)

Mit einem Dank des Beglückten an Gott und einem von denlieben Kinderlein gesungenen Choral schliesst der Akt.

Der fünfte und letzte zeigt uns den Himmel in vollem Glanze. Christus erscheint mit den himmlischen Heerscharen und den Aposteln, die neben ihm auf zwölf Stühlen Platz nehmen. Die Posaunen und Trompeten des letzten Gerichts erschallen, die Toten wachen auf. Alle Personen des Spiels sammeln sich vor dem Throne des Richters. Einige treten als Ankläger der Juden und des Papsttums vor. Das Urteil wird gesprochen. Die Ungerechten und die Verfälscher der evangelischen Wahrheit verfallen der Hölle, obgleich sie sich auf die Thaten ihrer Werkheiligkeit berufen, während die Erwählten in das ewige Leben eingehn. (Tittmann S. 6.)

Auch in diesem Drama sind der künstlerischen Vorzüge nicht wenige. Wieder müssen wir die Fähigkeit des Dichters rühmen durch Gegensätze, die er erfindet, Handlung zu schaffen. Wieder beweist er seine Kunst durch stufenmässige, psychologisch motivierte Darstellung Spannung zu erregen (z. B. Akt I v. 579 ff.). Auch an hübschen kleinen Detailzügen, wie wir sie an ihm kennen, fehlt es nicht (z. B. Akt I v. 251, Akt III v. 299). Besonders gelungen sind ihm die Teufelsgestalten, die er durch bestimmte Züge zu unterscheiden weiss und die mit Glück das Element der burlesken Komik vertreten. Gelegentlich gelang der Dialog zu einer scharf dramatischen Zuspitzung (Akt IV v. 351 ff. 314 ff.). Allein der Wert des Dramas, das Charakteristische an ihm liegt nicht wie heimSpiel von den bäurischen Richtern in der gelungenen Ausführung von Einzelheiten, überhaupt nicht in der künstlerischen Bewältigung des Stoffes, er beruht hauptsächlich in der kühnen und grossen Konzeption seiner Idee. Der Dichter sucht diejenige Frage in ein dramatisches Gewand zu kleiden, die seine Zeit am tiefsten bewegte. Den religösen Standpunkt, den er für den allein wahren hält, will er dichterisch verklären. Zu diesem Zweck sucht er ihn geschichtlich und menschlich zu beglaubigen. Die weiteste Perspektive eröffnet er rück­wärts und vorwärts. Er greift zurück zu dem Moment, da nach der biblischen Tradition der tragische, die Welt erfüllende Zwiespalt begann und schreitet vor bis zu dem einst kommenden Augenblick, da er mit