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Otto Pniower, Bartholomäus Krüger.
Jeder Historie hängt er eine gereimte Moral an, die immer recht trocken, vielfach aber schief ist. Nach unserem Gefühl schädigt er damit die "Wirkung der Erzählungen beträchtlich. Er giebt ihnen einen philiströsen und pedantischen Beigeschmack und hebt mit der Lehre und Warnung, die er an ein eben geschildertes Abenteuer knüpft, die Wirkung des naiven Scherzes und Humors geradezu auf. Jedoch man darf, wie ich schon einmal bemerkt habe, eine litterarische Schöpfung immer nur aus ihrer Zeit heraus beurteilen. Schwänke mit einer gereimten Moral auszustatten war im 16. Jahrhundert üblich und Krüger wiederholte nur, was andere vor ihm getlian hatten.
Dennoch eröffnet uns gerade dieser Umstand einen Blick in sein Inneres. Auch in der Brust dieses Dichters wohnten zwei Seelen: die eine hielt sich an die Welt mit klammernden Organen, die andere hob ihn zu den Gefilden der Geisterwelt. Er war gut weltlich, hatte seine Freude an den irdischen Dingen und der Humor des Lebens blieb ihm nicht verschlossen, Das beweist hinlänglich der Entschluss eine Volksgestalt von der Art Hans Clauerts zum Gegenstand einer Dichtung zu machen. Das beweisen die zahlreichen komischen Momente in seinen Dramen, das beweist die Kunst, mit der er die Wirklichkeit zu schildern versteht, was nur eine treue, anteilvolle Beobachtung des Lebens vermitteln kann.
Er war aber doch nicht leicht genug angelegt, um das Dasein so obenhin zu nehmen und harmlos und fröhlich zu gemessen. Er rang mit dem religiösen Problem seiner Zeit und mit einer Dichtung voll tiefster religiöser Innigkeit suchte er den Blick seiner Mitmenschen von der Erde aufwärts zu den ernsteren Mächten des Lebens zu lenken, um sie in ihrem Glauben zu stärken. Welch düster-ernster Stimmung war Krüger fähig, wenn er das jüngste Gericht, sei es auch nur in dichterischer Fiktion als nahe bevorstehend schildert! Und wie er für die nach seiner Meinung einzig züchtige Glaubenslehre kämpft, so hält er in dem „Spiel von den hämischen Richtern“ der Obi’igkeit einen Spiegel vor und sucht den Sinn für die Gerechtigkeit, den ihm seine Zeit verloren zu haben schien, zu w r ecken. Das alles weist auf einen grüblerischen, ei’nst lehrhaften Zug seiner Natur.
Vielleicht dass Erlebnisse ihn diese Seite seines Wesens stärker hervorkehren Hessen. Er muss mit seinem Geschick unzufi'ieden gewesen sein. Den Abstand zwischen seiner Kunst und seiner armseligen äusseren Stellung empfand er gewiss tief und bitter. Schmerzlich muss er es getragen haben, dass Fähigkeiten und äusserer Wirkungskreis sich bei ihm so wenig entsprachen. In einem Morale seines Gauert (zu XVIII) beklagt er, dass in der Welt mancher mit unredlichen Mitteln Geld, Lob und Preis erwirbt