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12. (4. ordentl.) Versammlung des VI. Vereinsjahres.
d. Schlittschuh-Knochen. Vielfach verwechselt mit den Gnidel- oder Glättknochen werden die Schlittschuh-Knochen und Schlitten- Knochen, von denen erstere hauptsächlich, wie heut die stählernen Schlittschuhe, abseiten der Jugend (allerdings nicht ausschliesslich) gebraucht wurden.
Die Schlittschuhknochen sind entweder undurchbohrt oder zum Ilindurchziehen von Riemen oder Bindfaden durchbohrt. Die undurchbolirten sind natürlich die primitiveren.
Bei den undurchbohrten Schlittknochen, bei denen selbstredend die Köpfe der Rinder- oder Pferde-Röhrknochen abgeschlagen sind, stand der Eisläufer einfach auf den Knochen aufrecht, wozu lediglich Vorübung und Gewandheit gehörte, und trieb sich mit einem Stachelstock, besser mit zweien — in jeder Hand mit einem, vorwärts. Auch wurde zwischen den beiden Stöcken wohl ein Tuch als Segel befestigt. Setzte sich der Wind dort hinein, so war man imstande, ausserordentlich schnell auf glatter Eisbahn vorwärts zu kommen. So haben noch vor wenigen Jahren uns alte Leute berichtet. Eine solche Eisschlittenpieke aus Stralau bei Berlin vom Fischer Tübbicke stammend (MM. B. VI. No. 12052) zeige ich vor.
Rudolf Virchow machte in der gedachten Berliner Anthropologischen Gesellschaft am 15. Oktober 1870 (Bd. III. 2 )) zuerst bei Besprechung der Pfahlbautenfunde des Soldiner- und Daber-Sees sowie der Inselansiedlung bei Königswalde, aus spät wendischer Zeit, auf beide Arten der Schlittschuhknochen aufmerksam.*) Nachher haben sich die einschläglicheu Funde von Norwegen bis Ungarn, wie aus der Fussnote ersichtlich, vermehrt.
Ich bin in der Lage, Ihnen diesbezüglich einige hochinteressante Funde vorzulegen, darunter den wahrscheinlich ältesten Schlittschuhknochen d. h. den ältesten Schlittschuh aus Deutschland. Derselbe ist in Spandau ausgegraben worden, als auf dem Stresow im Jahre 18S1 der Boden für die Anlegung eines Kriegspulvermagazins tief. ausgeschachtet wurde. Man stiess dabei auf eine Art von Pfahlbau, der in einem Altwasser der Havel in der Blütezeit der Bronzeperiode errichtet sein mochte. Die Hauptfunde sind nach dem königlichen Museum gelangt.
*) Andere Erwähnungen in den gedachten Verhandlungen III. 60 (England, 16. Jahrhundert) III. 19; V. 131; IV. 72 (Schlesien); III. 103 (Schweden); III. 132 bei Snorro Sturleson erwähnt. IV. 3 Wiepersdorf bei Jüterbog, Schlittknochen mit Nägeln ; Toszeg in Ungarn VIII 251 Schlittknochen aus Metatarsus von Pferd; XIX, 83 (in Bayern, Norwegen, Island ; XIX 471 478 Schlittknochen mit Steinaltertümern in Hradek bei Czaslau, dgl. vielfach bei Kuttenberg in Böhmen, vorslavisch; XII. 104 bei Lübben, Metatarsus von Pferd, Burgwallzeit; III. 104 aus neuerer Zeit in Züllichau, XVII, 394 Hammel- und Pferdeknochen in Westpreussen; V. 129. Schlittknochen, alte Ansiedlung bei Cammin in Hinterpommern.