Heft 
(1897) 6
Seite
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12. (4. ordentl.) Versammlung des VI. Vereinsjahres.

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Ende des Kiefers am Fussende der hölzernen Sohle und das breite hintere Ende des Kiefers mittels des aufsteigenden Kieferastes in das vordere Ende der hölzernen Sohle festeingepasst ist. Die Unterkante des Kiefers vertritt also das moderne Schlittschuheisen. Das ganze Mach­werk sieht ungeschickt aus, der Kiefer musste tief einschneiden und kann man sich kaum vorstelleu, dass man mit dieser Art Schlittschuh namentlich ohne einen Piekstock zu Hülfe zu nehmen schnell laufen konnte. Wahrscheinlich hat sich der Betreffende schieben oder ziehen lassen. Ich kann darin nichts ursprünglich Volkstümliches, sondern lediglich eine ungeschickte kindliche Nachahmung eines modernen mit Eisen montierten Ilolzschlittschuhs erblicken.

Wir haben im ganzen nunmehr in unserer Mark festgestellt: 1. Schlittschuhknochen (Pferd) ohne Durchbohrung (steinzeitliche Form) mit Piekstock; 2. Schlittschuhknochen (Pferd) mit Durchbohrung zum Anbindeu und Anschnallen, eventuell ohne Piekstock zu brauchen; 8. Kinderschlitten auf Pferde-Vorderarmknochen mit kurzem Piekstock; 4. Schlitten auf Pferde- Vorderarmknochen (Schlittenkufen) für Erwachsene mit langem Piekstock; 5. Pferdesclüidel, so dass der Schädel die Gleit­fläche bildet, als Kinderschlitten montiert, mit Piekstock; 6. Pferde- Unterkieferpaare mit Sitzbrett als Kinderschlitten mit Piekstock und 7. Unterkieferknochen vom Schaf mit Holzsohlen nach Art eiserner Schlittschuh montiert, wahrscheinlich nur mit Piekstock zu brauchen.

Herr Otto Schöning, Redakteur der hiesigen ZeitschriftDeutscher Eis-Sport, hat mir noch zwei historische Quellen zur Benutzung freund- lichst geliehen. Zunächst ein niederländisches Buch: Schaatsenrijden- door Mr. J. van Buttingha Wichers, lste Secretaris van den Neder- landschen Schaatsenrijdersbond,s Gravenhage 1888*). In dieser mit vielen interessanten Abbildungen ausgestatteten Geschichte des Schlitt­schuhs ist ein besonderes KapitelBeeüen-Schaatsen. Daraus entnehme ich, dass Fitzstephen, Sekretär des Erzbischofs Thomas Becket, in seiner lateinischenBeschreibung der sehr ansehnlichen Stadt London (um 1180) erzählt, wie sich die Jugend auf beinernen Schlittschuhen erlustigte, die dahin flogenso schnell wie ein Vogel in der Luft oder der Bolzen aus einem Kreuzbogen (Armbrust).

Olaus Magnus (14901550) berichtet, man habe zu diesem Zweck glatte Hirsch- oder Rentierknochen genommen (lib. I. cap. XXV).

*) Schaatsenrijden s. v. a. Schlittschuhlaufen. Der Schlittschuh heisst auf Niederländisch: schaats, entsprechend dem Englischen skate. Dies entspricht mehr der Vorstellung des Stelzen-Laufens. Die Skandinaven sagen gewöhnlich: Skridsko = Schrittschuh. Dagegen bedeuten die skandinavischen Wörter Ski, Skid, Skiden die Schneeschuhe, von Skida die Scheide, das Laufbrettchen. Das Wort für Schlitten ist jedoch in allen germanischen Sprachen verwandt, skandin. släde, niederl. siede oder Bleü, englisch sledge.