Heft 
(1897) 6
Seite
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334 Karl Mttllenhoff, Über die ausgestorb. u. aussterb. Tiere d. Mark Brandenb.

dem grönländischen Remitier der jetzt nur noch in Grönland und dem polaren Nordamerika vorkommende Moschusochs hin. Von andern Wieder­käuern sind zwei Arten von Rindern, der Urstier (Bos primigenius) und der dem Wisent nahestehende Bos priscus zu nennen. Von Raubtieren ist in Rixdorf bisher nur gefunden der Fuchs, sowie der riesige, über 3 m lange Höhlenbär (Ursns spelaeus), ein Tier, welches als eine besondere Form des Eisbären angesehen werden kann. Von dem in Franken und auch in Belgien mit dem Höhlenbären zusammen aufgefundenen Höhlen­tiger, resp. Höhlenlöwen, sind, wie es scheint, bei uns Knochen nicht erhalten. Gerade diese grösste Katzenart beansprucht ein ganz besonderes Interesse wegen der Übergänge, welche sich zwischen den beiden sehr verschieden erscheinenden Arten vorfinden. In der Mandschurei und dem südlichen Sibirien haben die Tiger eine stark entwickelte Mähne, ein gelbgraues, sehr dichtes Fell mit ganz undeutlichen Streifen. Ähn­lich mag auch der deutsche Höhlentiger ausgesehen haben.

Die in den Rixdorfer Kiesgruben aufgefundenen Tiere haben, das lässt die Art ihrer Ablagerung deutlich erkennen, unser Land zur Diluvialzeit bewohnt, und zwar während des Zeitraums, der zwischen den beiden Vergletscherungen lag. Derselben Zeit, der Interglacialzeit, gehören auch die Pflanzenreste an, welche bei Lauenburg an der Elbe aufgefunden sind. Hier findet sich in den interglacialen Ablagerungen eine Torfschicht eingeschaltet, welche eine beträchtliche Anzahl von Pflanzen hat erkennen lassen: Kiefer, Fichte, Lärche, Eiche, Weiss­buche, Linde, Ahorn, gelbe Schwertlilie, Schilfrohr; im ganzen sind es dieselben Arten, welche noch heute in Norddeutschland weitverbreitet sind, und es ist kaum möglich, aus dieser Vegetation auf eine Ver­änderung des Klimas zu schliessen. Es scheint, nach den Säugetier­resten zu urteilen, das Klima der Interglacialzeit nicht gleichmässig gewesen zu sein. Das Rhinoceros leptorhinus und der Elephas anti- quus weisen auf ein wärmeres Klima, auf ein kälteres das grönländische Renntier, der Moschusochse, das Mammut und das wollhaarige Nashorn. Am einfachsten erscheint hiernach die Annahme, dass nach dem Ab­schmelzen des Gletschers die Temperatur des Landes stieg, und die Einwanderung der Tiere erfolgte. Während der Mitte der Interglacial­zeit hat dann längere Zeit hindurch ein dem jetzigen ähnliches Klima bestanden. Mit dem Herannahen der zweiten Vereisung sank die Tem­peratur tiefer, die subtropischen Formen verschwanden, und nordische Arten stellten sich ein.

Als die Hauptnrsache des Aussterbens so vieler Tierarten hat man zweifellos nicht bedeutende Klimaschwankungen oder gar, wie es die ältere Geologie that, grosse Katastrophen anzunehmen; es lassen sich vielmehr die grossen Veränderungen, welche die Tierwelt erlitten hat, in einfachster Weise zuriickführen auf das Erscheinen des Menschen.