Karl Müllenhoff, Über die ausgestorb. u. austerb. Tiere d. Mark Brandenb. 335
Dass der prähistorische Mensch in Mitteleuropa mit Mammuten, Nashörnern und anderen Tieren der Diluvialzeit zusammengelebt hat, ist lange Zeit bezweifelt worden; doch lassen die zahlreichen, in den verschiedensten Teilen Frankreichs, Deutschlands und Russlands gemachten Kunde keine andere Deutung zu.
Wir bedürfen keiner weiten Reisen und keiner mühseligen geologischen Ausgrabungen, wenn wir uns davon überzeugen wollen, in welcher Weise der Mensch viele Tiere zurückdrängt und ausrottet; es genügt zu beobachten, was wir noch jetzt hierüber vor Augen haben. Sowohl willkürlich als unwillkürlich, direkt wie indirekt wirkt der Mensch verändernd auf die Tierwelt der Länder ein. Er thut dieses in um so stärkerem Masse, je vollständiger er ein Land in Besitz nimmt. Mit dem Augenblicke, wo die Menschen auf einem neu occupierten Gebiete einigermassen zahlreich werden, beginnt für die Tiere dieses Landes eine kritische Zeit. Gegen manche Tierarten wird ein erbitterter Krieg geführt, weil sie dem Menschen eine unliebsame Konkurrenz machen, oder weil ihr Fleisch, ihr Fell oder ihre Knochen dem Menschen verwendbar erscheinen. Hierdurch sind in prähistorischer Zeit Mammute, Nashörner und Höhlenbären, in historischer Zeit der Wisent, der Urstier, der braune Bär, der Luchs und der Vielfrass verschwunden; der Elch und der Biber fristen ihr Dasein nur noch an wenigen Stellen unseres Landes; die Wildkatze ist selten geworden, der Wolf im grössten Teile Deutschlands ausgerottet. So hat sich der Bestand an Säugetieren schon ganz erheblich gemindert.
Der Mensch vernichtet den Urwald, trocknet Sümpfe aus, reguliert die Flussläufe nach seinem Gefallen und zerstört das Gestrüpp, soweit es ihm im Wege ist. Dadurch verlieren viele Tiere ihre Schlupfwinkel und die Möglichkeit, ihre Nahrung zu finden; sie wandern aus den für sie unwirtlichen Gefilden aus oder gehen zu Grunde. Eine besonders starke Verminderung tritt in Folge der Meliorierungen bei den zahlreichen Arten der Sumpf- und Wassertiere ein. Die Störche sind in vielen Gegenden Süd- und Mitteldeutschlands, wo sie früher häufig waren, bereits selten geworden. Unmittelbar ist dem Langbein allerdings kaum jemand zu nahe getreten, das verbietet die Volksgunst, in der der Vogel bei den Germanen seit alter Zeit steht. Nur in Norddeutschland ist er noch häufig zu finden. Aber nur selten sieht man noch, wie bei Vehlin unweit Glöwen in der Priegnitz, Hunderte von Storchnestern dicht beieinander. Überall macht sich eine rapide Abnahme der Störche bemerklich. Es werden eben durch die Trockenlegung der Sümpfe die Frösche seltener gemacht und dadurch indirekt die Störche.
Auf eine direkte Schädigung durch den Menschen ist unzweifelhaft das Verschwinden des schwarzen Storches zurückzuführen, indem nämlich