346 H. Pieper, Die histor. Volkslieder d. Mark Brandenb. a. d. Zeit. d. Mittelalt.
eigenen Litteraturgattnng entwickelt hatte, zunächst im Norden in Aufnahme gekommen ist. Begegnen wir doch schon zu Anfang des 13. Jahrhunderts, d. h. zu einer Zeit, wo man noch sonst in Deutschland allgemein dem romantischen Heldenepos und verwandter Dichtung huldigte, in den nördlichen Reichsgebieten verschiedenen sogen. Reimchroniken und historischen Volksliedern*), die uns teils selbst noch erhalten, teils ihrer Existenz nach von andern Autoren bezeugt sind.
Wenn nun trotzdem die Zahl der uns aus früherer Zeit erhaltenen norddeutschen Volkslieder, verglichen mit der Menge gleichartiger Dichtungen aus Süddeutschland, verhältnismässig gering ist, so dürfen wir den Grund wohl darin suchen, dass die Bewohner Norddeutschlands während der Zeiten, wo diese Dichtungsart in Blüte stand, d. h. vom 13. bis zum 17. Jahrhundert, viel mehr unter den Drangsalen der beständigen Fehden und Kämpfe zu leiden gehabt haben als- ihre süddeutschen Brüder. Hat doch noch zuletzt und zwar nicht am wenigsten der dreissigjährige Krieg, welcher mit seinen Schrecken die Menschen nötigte, stets nur an die traurige Gegenwart zu denken, und ihnen sozusagen die Lust an der Vergangenheit benahm, sicherlich so manches Lied, das damals noch im Volksmunde lebendig war, in Vergessenheit gebracht. Aber auch das, was von solchen Gedichten schon vorher, besonders im 16. Jahrhundert, gedruckt worden war, hat, da dieselben auf schlechtem Papier als sogen. Einblätter veröffentlicht waren, wohl damals seinen Untergang gefunden. Es kommt noch hinzu, dass von denjenigen, welche die Mittel hatten, in jenen schweren Zeitläuften ihre litterarischen Schätze zu bergen, nur wenige Interesse für diese volkstümlichen Dichtungen besassen, während die meisten als theologisch und humanistisch gebildete Männer auf jene urwüchsigen Erzeugnisse des Volksgeistes mit Verachtung herabsahen. Deswegen schulden wir denjenigen Schriftstellern — es sind dies besonders Historiker, die in Wittenberg studiert hatten, wo nach Luthers Vorgang eine rege Vorliebe für diese Dichtungsart herrschte —, die es nicht für unwert erachtet haben, einige von solchen Gedichten ihren Werken einzuverleiben und sie dadurch vor dem Untergang zu retten, ganz besonderen Dank.
Was nun speziell unsere Mark Brandenburg anlangt, so können wir noch von Glück sagen, dass wenigstens sieben solcher historischer Volkslieder, welche Ereignisse des 14. und 15. Jahrhunderts schildern, auf uns gekommen sind. Es sind folgende:
• 1. Lied auf die Schlacht am Kremmerdamm. 1331.
2 . „ „ den Tod Herzogs Casimir von Pommern. 1372.
3. „ „ Busso von Erxleben und die von Stendal. 1372.**)
*) K. Goedeke, Grundr. z. Gesch. der deutschen Litteratur. 2. Aufl. I S. 275 f.
**) Über dieses Gedicht vergl. vorläufig Ch. Bntzelt, Chronica der Alten Mark, 1579, S. 119 und Ludw. Götze, Urkundl. Gesch. d. Stadt Stendal, 1873, S. 164 ff.