Kleine Mitteilungen.
372
erfunden seien. Es ist nun immer noch ein Streit, ob dies ein leichtes oder schweres Fuhrwerk war. In dieser Beziehung ist beachtenswert, was De- lisle de Sales in seiner „Lettre de Brutus“, London 1771, S. 154 schreibt: „Um sa i langsamer ein Wagen ist und mit Geräusch rollt, um so weniger kann er Ünzuträglichkeiten veranlassen; so ist eine Berlinc weniger gefährlich als eine Coupe-Carosse“. Und S. 931 sagt er von der vollkommenen Berlinc: „Une berline est plus sitre et plus .commode qu’un carosse, aussi n’a-t-on rien neglig6 pour perfectionner cette voitnre; on a rendu mobiles les pan- neaux de cöte; on a placö sept glaces qui en relfevent l’elßgance; Dalem a invente pour eile ses ressorts; un autre artiste a ajoute un cric ä Stores, et on a dessine sur la partie extdrieure des peintures si vraies, qu’on les a prises quelquefois pour des tableaux de Greuze, de Vernet, on de Boucher; enfin, si quelque voiture peut etre mise en parallele avec les anciens chars de triomphe, ce sont sans doute ces berlines“. Dass die Berlinen angenehm „mollig“ waren, dafür spricht auch folgende hübsche Anekdote, die uns Madame Campan in ihren „Memoires“, III, 78 aufbewahrt hat. Der erste Stallmeister der Königin Marie Leszczynska, der auch das Hoffuhrwerk unter sich hatte, war ein braver, aber ziemlich beschränkter Kopf, den die Königin mitunter etwas aufzog. „Dieser gute Herr von Tesse (erzählt Madame Campan) hat seinen Sohn mit der liebenswürdigen und gleichzeitig geistvollen Tochter des Herzogs von Ayen, später Marschall de Noailles verheiratet; er liebte seine Schwiegertochter ganz ausserordentlich und sprach von ihr nur mit Zärtlichkeit. Die Königin, welche ihn zu verpflichten wünschte, unterhielt sich mit ihm oft von der jungen Gräfin und fragte ihn eines Tages, welche Herzenseigenschaft er besonders an ihr wahrnehmc. — Ihre Güte, Madamei ihre Güte, antwortete er die Augen voller Riihrungsthräncn: sie ist so sanft
so sanft-wie eine gute Berline. — Das ist ein des ersten Stallmeisters
würdiger Vergleich, sagte die Königin.*)
Diese überaus prächtig ausgestatteten Berlinen wurden namentlich auf Reisen von Fürsten und anderen vornehmen Herrschaften bevorzugt. Der Grosse Kurfürst und alle preussischen Herrscher bis auf Friedrich Wilhelm III. benutzten Berlinen. Sehr elegante Berlinen wurden in England gebaut und auch nach Frankreich ausgeführt. Dem Fürsten Karl von Soubise wurde in der für ihn so schimpflichen Niederlage bei Rossbach am 5. Novembeu 1757 von den preussischen Husaren eine elegante Berline abgenommen. Ueber- liaupt erblühte dem galanten Prinzen Soubisc aus den Berlinen eigentümliches Unglück. Im Jahre 1769 hatte er eine sehr schöne Ballet-Tänzerin, Mademoiselle Audinot, im zweiten Stockwerk eines recht alten wackligen Hauses der Rue de Richelieu zu Paris einquartiert. Soubisc, höchst eifersüchtig, liess die flatterhafte Schöne durch ihre Mutter und Dienstpersonal ängstlich bewachen. Auf das Fräulein Audinot warf nun Armand-Louis Gontant, Graf von Biron, später Herzog von Lauzun, ein berüchtigter jugendlicher Libertin, ein begehrliches Auge und verständigte sich leicht mit ihr. Er bestach eine
*) Marie Leszczynska, einzige Tochter des Königs Stanislaus L., geh. 1703, wurde 1725 die Gemahlin Ludwig XV.; sie war ebenso sittenrein und menschenfreundlich, wie ihr Gemahl verworfen und verhasst; sie starb 1768.