Heft 
(1897) 6
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14. (5. ordentl.) Versammlung des VI. Vereinsjahres.

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nach Grösse und Güte sortiert und gereinigt. Haben sie schöne glänzende Häuschen und stark gewölbte Deckel, so sind sie recht fett, und der Käufer erkennt daran die gute Ware. In Kisten und Fässern zu je 1000 oder 5000 Stück zwischen Heu, Holzwolle u. s. w. einge­lagert, werden sie dann verschickt. Kälte vertragen sie eher als Wärme, d. li. wenn es ihnen zu warm ist, öffnen sie den Deckel und sprengen so das stärkste Fass.

Die Nachfrage nach guten, fetten und grossen Schnecken steigert sicli im Süden von Jahr zu Jahr, sodass die Schneckenzucht in dieser einfachen Weise betrieben nnd ein gutes Absatzgebiet vorausgesetzt, als ein gewinnbringendes Unternehmen gilt.

Bayern betreibt die Schneckenzucht ebenfalls. Statt der ohne Zweifel einträglicherenStallwirtschaft ist die weniger Mühe und Sorg­falt erforderndeWeidewirtschaft in Gebrauch. Wie die Ochsen und Kühe im Sommer auf die Weide gelassen werden, so dürfen auch die Schnecken in Gärten, Wiesen und Laubwaldungen im Frühjahr und Sommer ein behagliches freies Dasein führen. Wird es aber draussen kälter, so werden sie von Kindern und alten Leuten gesammelt und in eine tiefe Grube geworfen. Als Winteratzung, die zugleich als Henkers­mahlzeit dient, erhalten sie Getreide eingeschüttet, an dem sie sich, man möchte sagen, bis zum Platzen vollfressen, bis sie sicheinhausen, das heisst ihre weissen Kalk-Deckel anfertigen und zuschliessen. Im Früh­jahr macht man sehr zeitig die Grube auf und bringt das Getier auf den Markt, wo es noch im süssen dolce far niente befangen, gar keine Ahnung hat, was für ein schreckliches Loos seiner harrt. Die Schnecken werden nämlich ins kochend sprudelnde Wasser geworfen, welches sie sofort tötet, wobei der Winterverschlussdeckel des Gehäuses abfällt. Nun zieht man die Schnecke heraus, säubert sie und kann sie alsdann ohne weiteres, in Essig und Oel angerichtet, verzehren. Oder: man wiegt die Schnecken ganz fein, thut Sardellen hinein und streicht das Gemisch in die gereinigten Schneckenhäuser, die man dann in Schmalz siedet. Das Ganze die Häuser natürlich nicht lässt man sich dann mit Sauerkraut und einem Mass Bier schmecken. In Oesterreich isst man sie häufig mit Meerrettig (Kreen). Es giebt übrigens noch viele andere Zubereitungsarten, die anzuführen hier zu weitläufig sein würde. In der Schweiz sind, wie vorbemerkt, die Kapuziner fleissige Schneckenzüchter und verstehen es auch, sie gut für den Tisch zu­zubereiten.

Im mittleren Deutschland auch in den evangelischen Teilen war die Schneckenkost offenbar verbreiteter als sie jetzt ist. Dass man selbst in Nordthüringen früher die grosse Weinbergsschnecke ver­zehrte und nach Leipzig verführte, geht aus folgender Nachricht hervor. Zu den Orten, die einer besonderen Beschäftigung wegen geneckt werden,

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