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14. (5. ordentl.) Versammlung des VI. Vereinsjahres.
Dass in Berlin und der Mark Brandenburg schon im 17. Jahrhundert „Oesters“, „Ostreen“, „Oestern“ verzehrt wurden, habe ich bereits i. J. 1873 in meinem Generalbericht über die erste grosse internationale Fischerei - Ausstellung, welche zu Berlin und zwar in der Privatmarkthalle*) zwischen Karlsstrasse und Schiffbauerdamm im April 1873 abgehalten wurde, Correspondenzblatt des deutschen Fischerei-Vereins 1873, S. 73 flg., mitgeteilt. Es heisst darin: „Wir kommen hiermit auf die Zeit zurück, wo Preussen und Brandenburg überseeische Kolonien, eine Kriegsflotte, mehre Handelscompagnien hatte und mit den grossen Seemächten, namentlich den holländ. Generalstaaten rege Beziehungen unterhielt. Sie wissen, wie der grosse Kurfürst sich in seiner Jugend mit Vorliebe in den Niederlanden aufhielt, und in der That weisen die Zolllisten aus seiner Zeit einen solchen mannigfachen Konsum an Austern und Miesmuscheln, überhaupt an Seeprodukten nach, wie er in unserer historischen, so zu nennenden Binnenlandsperiode, d. h. während der Zeit Friedrich II., Friedrich Wilhelm II. und Friedrich Wilhelm III., wo unsere Verbindungen mit dem Meere immer mehr zurückgingen, niemals stattgefunden zu haben scheint.“
Der Vater Friedrich des Grossen pflegte von sich selbst zu sagen, dass er ein treu-holländisches Herz habe, und so teilte er auch den holländischen Geschmack für Seeprodukte. Ein Schriftsteller bemerkt, dass der Kaufmann Daum**) einmal dem König ein Fässchen Austern schickte und dies durch seinen Handlungsdiener bei Tafel überreichen liess. Der sparsame König wurde hierüber so vergnügt, dass er demselben dafür eigenhändig ein Biergeld von acht Groschen in die Hand drückte. (Förster: Friedr. Willi. I. — Bd. I, S. 207.) Ein anderer Schriftsteller (Eberty: Gesch. des Preuss. Staates Bd. II, S. 340) berichtet: „Zuweilen wurden Leckerbissen, namentlich Austern und Hummer aus Hamburg verschrieben. Der Kaufmann Destinon, des Königs Agent, erhielt mit dem Dank für 6 grosse Taschenkrebse eine eigenhändige Anweisung des Königs. — In welchem Zustande bei dem damaligen Postenlaufe die Austern nach Berlin kamen, kann man sich denken. Dennoch wurden schon unter dem grossen Kurfürsten, wie die Accise- ordnungen erkennen lassen, sehr viel Austern in Berlin verspeist. Wahrscheinlich galten die Zeichen der Verwesung für Seegeschmack, wie man
*) Es ist dies ein Gebäude, welches in wenig Jahren recht mannigfaltige Schicksale gehabt hat. Als private Markthalle konnte es nicht gedeihen, weil das K. Polizei-Präsidium sich nicht dazu verstehen wollte, die öSentlichen Wochenmärkte unter freiem Himmel in der Nachbarschaft zu schliessen. Dann wurde das Markthallengebäude zum Cirkus Renz umgebaut, seit dem Herbst 1897 wiederum umgeändert, dient es zur Zeit dem neuen Olympia-Riesentheater.
**) Vgl. meine Mitteilungen über die eigentümliche Laufbahn Daums, Begründers der F irma Daum & Splittgerber, jetzt Gebrüder Schickler, in der Brandenburgia IV, S. 329.