14. (5. ordentl.) Versammlung des VI. Vereinsjahres.
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ja an den süddeutschen Höfen und in den grossen Binnen - Handelsstädten, namentlich in Breslau, die Austern noch in den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts im ekelerregendsten Zustande als Leckerbissen verzehrte“.
Auf die Austerschalenhaufen, welche in Berlin bei den Gymnasial- bauten Charlotten- und Dorotheenstrasse aus dem 17. oder Anfang des 18. Jahrhunderts gefunden wurden, habe ich schon verwiesen. Im Märkischen Museum befinden sich auch wahrscheinlich ebenso alte Austerschalen, welche bei Kanalisationsarbeiten nahe dem Königlichen Schloss zu Tage kamen.
Diesen geschichtlichen Beziehungen sei hinzugefügt, dass Herr Dr. Carl Bolle mir mitgeteilt hat, wie in dem Schlosspark von Meseberg bei Gransee, damals Herrn von Hövel, jetzt Herrn Lessing, dem Schwiegersohn unseres ersten Vorsitzenden, Oberbürgermeisters Zelle, gehörig, gewaltige Austerschalen-Ablagerungen ausgegraben worden sind. Sie gehören der Zeit an, wo der tolle Major Christian Ludwig von Kap- hengst, geb. 1740, hier etwa seit 1775 als ausgesprochener Liebling Prinz Heinrichs, Bruder Friedrichs des Grossen, hauste.*)
Dass hier Austern in Masse verzehrt wurden, wird niemand Wunder nehmen, umsomehr überrascht wird man aber sein zu hören, wie auch in dem Pfarrgarten des schlichten Pastors Schmidt zu Werneuchen erkleckliche Mengen von Schalen verspeister Austern gefunden wurden. Verwundersam, wenn man weiss, wie der bukolische Dichter eine Butterstulle in der Tegeler Heide und ein Glas Milch als Hochgenüsse anzupreisen pflegte.**)
Durch die Erwerbung Schleswig-Holsteins i. J. 1866 ist der Austern- Konsum in Berlin und der Provinz Brandenburg erheblich gesteigert worden. Sehr zum Schaden der allgemein aber fälschlich sogenannten Holsteiner Austern, welche vielmehr aus der schleswigschen Nordsee bei den Inseln Amrum, Sylt, Föhr und Romoe stammen. Die anfängliche Überfischung der Bänke nötigte die Regierung, den letzteren eine lange Schonzeit zu bewilligen, die erst jetzt abgelaufen ist. In diesem Jahr durften zum ersten Mal wieder Austern (500000 Stück) gefangen worden.
Diese lange Ruhepause haben die Holländer benutzt und ihre Auster mit gutem Erfolge und Preise, das Dutzend kostet gewöhnlich 1,50 Mk., in Berlin eingeführt. Auch die Dänen mit ihren Limfjord-
*) Vgl. über das wüste Treiben in Meseberg, Fontane, Die Grafschaft Buppin, 2. Aufl. Berlin 1865, 8. 160—167.
**) Vgl. Brandenburgia V, S. 269 und 330. — Wenn auf oder am wendischen Burgwall von Freesdorf bei Luckau Austerschalen gefunden wurden, Verh. der Berl. Anthrop. Ges., X, 1878, 8. 299, so muss man an neuerliche Verschleppung denken.