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14. (5. ordentl.) Versammlung des VI. Vereinsjahres.
Austern*) sind am Platz erschienen, dgl. die Ostender, sowie die vornehmen englischen und französischen Austern, die letzteren beiden Arten sehr klein, aber sehr fleischig und schmackhaft. Als die Krone der Austern galt früher (Jolmston, Konchyliologie, 28) die Auster von Col- chester, fett, salzig, grünflossig, wo man die vortreffliche Kunst übt, sie in eigens dazu angelegten Grüben zu füttern. Jetzt gilt speziell Whit- stable als Prima-Ware. Andere ziehen die grünen französischen Austern vor.
Seit der Erwerbung von Helgoland hat sich die Aufmerksamkeit auf die wilden Austern gelenkt, welche nördlich dieses Eilandes in der freien Nordsee Vorkommen und zu ungeheuren Exemplaren auswachsen. Nach dem Geschmack der eigentlichen Kenner geht diesen wilden Austern, die zum grossen Teil der Spielart Ostrea hippopus Lamarck, der Pferdefussauster, angehören, vorläufig noch die Hochfeinheit ab. Es wäre zu wünschen, dass diese neue deutsche Errungenschaft im deutschen Meer (german ocean) eigens kultiviert und womöglich domestiziert würde.
Auf die anderen Auster-Arten gehe ich bei der „Beschreibung der Ausstellung“ ein.**)
Es erübrigt hier hauptsächlich noch, der Miesmuschel (Mytilus edulis L.) zu gedenken, deren sich bereits die mittleren Stände bemächtigt haben und die man deshalb erfreulicher Weise bereits als Volksnahrung bezeichnen kann. In den Rheinlanden, Niederlanden, Belgien, im flämischen Nordfrankreich bis Dünkirchen nennt man das Tier einfach „Muschel“ und ruft sie so auf den Strassen und Plätzen aus, ein beredter Beweis für die Popularität dieser Konchylie.
Bereits zur Reformationszeit ist die Mies - Muschel von Wismar nach Berlin und der Mark eingeführt worden***); dass sie in dem Abfallhaufen der hiesigen Dorotheenstrasse vorgekommen, habe ich bereits erwähnt. Die Miesmuschel wird zumeist gekocht bei uns verzehrt, teils ohne weiteres, teils zu Brühen und Tunken als Beigabe verwendet. Seit langer Zeit kämpfen nun bei uns die beiden Meere Nord- und Ostsee hier um den Vorzug, den ich entschieden der Ostsee zuerkennen muss. Allerdings sind in Folge des grösseren Salzgehalts und der besseren Ernährung, vielleicht auch wegen der grösseren Wärme des Wassers die
*) Die Limfjord-Austern sind erst seit 1851 aufgetreten. Vgl. meinen Aufsatz: „Fischwesen in Skandinavien und Schleswig-Holstein“, Circulare des Deutschen Fischerei-Vereins 1874, S. 140.
**) Ich lege bei dieser Gelegenheit das Kochbuch „In tlie Kitchen“, Boston Mass. 1875, vor, welches eine mir befreundete Dame, Frau Oberst Elisabeth S. Miller, eine ebenso gelehrte wie wirtschaftliche Dame, verfasst hat, um an den vielen Rezepten zur Bereitung von Austern und Clam-Muscheln zu zeigen, welche kulinarische Mannigfaltigkeit, von der die deutsche Hausfrau fast nichts weiss, hier erzielbar ist.
***) Vgl. meine Angabe im Circ. des Deutschen Fischerei-Vereins 1873, S. 72.