Heft 
(1897) 6
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14. (5. ordentl.) Versammlung des VT. Vereinsjahres.

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erträglichen Daseins. Von ihren Kindern leben noch neun. Frau Bild, welche das besondere Vorrecht genoss, auch ausser den eigentlichen Markttagen täglich auf dem Gensdarmenmarkt zu verkaufen, leht eben­falls über 84 Jahre, ebenso wie Frau Mechelke 79 Jahre und Frau Schmidt mit 80 Jahren, welche beide mehr als 60 Jahre auf offenen Märkten Fische verkauften. Meine Mutter ist allerdings noch jung, erst 73 Jahre alt, aber dafür finden Sie dieselbe auch noch jeden Mittwoch und Sonnabend pünktlich auf ihrem Stand in der Markthalle in der Lindenstrasse, wo sie Krebse verkauft.

Und was ich nicht übersehen darf, fromm und gottesfürchtig war dieser alte Stamm von Berliner Fischfrauen und in ihren Familien herrschte Zucht und gute Sitte.

Noch erwähnen möchte ich, dass die alten Berliner Fischhändler auch die Pächter der Eisbahnen waren, namentlich der Rousseau-Inseln und des Engelbeckens. War also im Winter das Fischgeschäft gegen Mittag beendet, so ging ein Teil der Frauen gleich auf die Eisbahn, um zu kassieren.

Den Männern der Berliner Fischverkäuferinnen aber lag es ob, den Einkauf zu besorgen und die Fische von und nach dem Markte zu schaffen. Dies geschah noch bei meiner Zeit vielfach mit dem grossen Käscher. Ein solcher Käscher, mit reichlich einem Zentner Fischen versehen, wurde über die Schulter geliäugt. Vorn, an der Spitze des Stieles, hing ein grosser Ilolzeimer mit Wasser, 30-40 Pfund schwer mn die Last zu balanzieren.

Wenn man sich vorstellt, dass auf solche Weise die Fische von der Fischerbrücke bis nach dem Sjnttelraarkt, Gensdarmenmarkt oder Alexanderplatz getragen wurden, so wird man es verstehen, dass die Männer nach solcher Arbeit tüchtig und erheblich frühstückten. An guten Frühstückskneipen war in der Nähe der Märkte durchaus kein Mangel. Damit soll nicht gesagt sein, dass später, als man sich Wagen und Hunde oder Pferde zum Transport der Fische anschaffte, weniger gefrühstüekt wurde.

Während die Berliner Fischhändler nur nach Gewicht verkauften, handelten die Frauen, welche ihre Fische aus der Umgebung von Berlin brachten, also die Köpenicker, Spandauer u. s. w. nach Gerichten.

Die Weissfische, Hechte u. s. w. thaten sie auf kleine, hölzerne Wannen und boten diese den Vorübergehenden je nach dem Werte für 2 Courant (25 Pf.), 4 gute Groschen (50 Pf.) und 8 Courant (1 Mk.) an, und zwar verstanden sie es, dem oder der Vorübergehenden tüchtig zu

schmeicheln.

Für sie gab es nurjunge Herrekens undliebe Fräuleins, waren sie aber sicher, ein wirkliches Fräulein vor sich zu sehen, so riefen sie sie mitjunge Frau oderschönes Madamchen an.

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