15. (5. ordentl.) Versammlung des VI. Vereinsjahres.
453
Bis an die Grenze unserer Provinz bewahrt der Fluss, abgesehen von schwachen Schlängelungen, eine einheitliche Richtung, ungefähr von Südost nach Nordwest, liier aber, von Tscliichertzig ab, verliert sich die gradlinige Erstreckung des Stromes, und die Oder fängt an, sicli hin und her zu werfen. Zuerst wendet sie sicli scharf nach Westen bis zur Einmündung der Neisse und biegt hier fast unter einem rechten Winkel nach Norden um. Bei Küstrin weicht sie auch von dieser Richtung wieder ab, indem sie während ihres Laufes durch das Oderbruch die alte Siidost-Nordwest-Richtung annimmt, um endlich am Nordende des Oderbruchs abermals fast unter einem rechten Winkel Östlich abzubiegen.
Es ist nicht schwer, die Ursachen für diese Unterschiede im oberen und unteren Lauf der Oder herauszufinden. In Schlesien sind es die begleitenden Gebirge, welche dem Oderstrom seine Richtung weisen. Am deutlichsten sind diese im Westen in dem Sudetenzuge ausgebildet. Mit dem Wegfall dieses richtunggebenden Haltes verliert auch der Strom seine gradlinige Erstreckung.
Auf einer geologischen Karte tritt aber noch ein zweiter Unterschied hervor. Während in dem schlesischen Teil die festen Gesteine des tieferen Untergrundes oft durch die Lücken in der Decke aus losem Material hervortreten, erreichen letztere im märkischen Teil eine solche Mächtigkeit, dass der tiefere Untergrund vollständig verhüllt ist.
Um die Ursachen für den geschlängelten Lauf des Oderstroms in der Mark aufzufinden, ist es nötig, der topographischen und geologischen Beschaffenheit der Umgebung einige Aufmerksamkeit zu widmen.
Auf der Karte können wir in der Mark zu beiden Seiten der Oder drei Geländeabschnitte unterscheiden. W'ir heben als ersten einen linksseitigen bis zum Oderspree-Kanal hervor, das Lausitzer Vorland. Darauf folgt ein mittlerer. Wir finden hier auf jeder Seite der Oder eine „Plateauinsel“ ausgebildet, da die Niederungen ringsherum als ein zusammenhängender Streifen sich verfolgen lassen. Auf dem linken Ufer der Oder ist es das Plateau von Barnim-Lebus und auf dein rechten das Sternberger Plateau. Endlich kommt an der unteren Oder der letzte Abschnitt, der Durchbruch durch das Uckermärkisch-Neumärkische Plateau, der zum Baltischen Höhenrücken gehört.
Der erste Abschnitt steht, namentlich mit seinem südlichen Anteil, noch ganz unter der Herrschaft des böhmischen Grenzgebirges, Die Eliisse dieses Striches, Bober und Neisse, nehmen dort ihren Ursprung nnd fiiessen senkrecht von ihm hinweg. Die lockeren Bildungen der Oberfläche, die der Braunkohlen- und der Moränenformation angehören, Mieten ihnen noch kein Hindernis, da namentlich die letztere nicht 'nächtig genug ist. Wie gering die Mächtigkeit der Moränenbildungen