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15. (6. ordentl.) Versammlung des VI Vereinsjahres.
Während zwischen Güstebiese und Hohen Saathen die Höhenlage des mittleren Wassei’standes allmählich von -f- 5,7 bis -|- 3,0 m über NN abnimmt, beträgt die durchschnittliche Höhenlage des Bruches zwischen Güstebiese und Wriezen nur 4 bis 5 m über dem Meeresspiegel, in der Linie Neu-Glietzen-Freienwalde nur 2 bis 3 m und in dem Tiefbruch sogar nur 1,3 bis 2,3 m. Im letzten Abschnitt bildet der Fluss wieder eine scharfe Rinne.
Die Stromsohle ist fast überall bis zur grossen Tiefe mit feinem scharfen Sand bedeckt. Beim Neubau der Frankfurter Brücke fand inan ihn bis 15 m mächtig, wo er auf einem Thonlager aufruht. Es finden sich auch Steine im Strombett. Bei Schidlow treten zwei Steinriffe auf, welche hier das Bett durchsetzen. Die Steine finden sich in der Fürstenberger Strecke’häufiger als unterhalb.
Die Wassermenge und ihr Verhalten während des Jahres wird nicht unbedeutend durch die Nebenflüsse beeinflusst. Im ersten Abschnitt sind Bober und Neisse die wichtigsten Nebenflüsse, sie geben der Oder manche Eigenschaften eines Gebirgsflusses. Der Bober bringt seine Flutwelle in etwa 4 Tagen in die Oder und die Neisse in 3 Tagen. Ausserdem transportieren sie grosse Sandmassen, so dass sie häufig zur Verlegung der Schifffahrtsrinne beitragen. Bober und Neisse schaffen ihr Eis schon zu einer Zeit nach der Mündung, bevor dasjenige der Oder sich recht in Bewegung gesetzt hat und führen daher, wenn der Eisgang im Hauptstrom beginnt, nur noch eisfreies Hochwasser, was den Eisgang erheblich befördert. Die Warte, welche den Unterlauf der Oder speist, kommt in ihrem Niederschlagsgebiet der Oder gleich. Sie bewirkt oft im unteren Lauf gehobene Wasserstände, während sie im Oberlauf fehlen. Die Frühjahrsfluten der Warte treffen gewöhnlich erst in Cüstrin ein, wenn der Scheitel der Oderwelle dort bereits vorübergegangen ist. Es macht sich dann ihr Einfluss nur in der Verlängerung des Hochwassers geltend.
Was nun die Häufigkeit des Hochwassers betrifft, so ergiebt sich, dass die sommerlichen Hochfluten trotz des Hinzutrittes von Bober und Neisse beträchtlich abgeflacht sind und eine geringere Rolle spielen als im oberen Stromgebiet. Die vorwiegende Herrschaft der Frühjahrshochfluten zeigt sich dadurch, dass in das Vierteljahr Februar bis April bei Krossen 70 °/ 0 und bei Frankfurt a. O. 73 °/ 0 aller höchsten Jahreswasserstände fallen, während beispielsweise bei Ratibor nur 38 % und bei Oppeln 40 % auf jenes Vierteljahr kommen.
Ende November findet die ersteJGrundeisbildung in der Oder statt, wenn die Lufttemperatur auf — 5° gefallen ist. Die Beeinflussung durch Eis dauert vom 21. Februar bis 18. März. Dem stehen Ausnahmen gegenüber; sechs Fälle, in denen die untere Oder bereits im Januar völlig eisfrei war und sieben, in denen das Eis bis in den April hinein