Heft 
(1897) 6
Seite
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Kleine Mitteilungen.

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einige Winke für den Einkauf dieses Geflügels geben, das trotz seiner Grösse einen vortrefflichen Braten giebt. Dies gilt jedoch nur von den Jährlingen, zweijährige müssen schon länger gehangen haben. Altere Truthähne sind zähe wie Leder, geben aber ausserordentlich kräftige Suppen, die namentlich Iteconvalescenten zu empfehlen sind. Diese alten Hähne erkennt man an dem starken Haarbüschel am Kopfe, an der rauhen, lederartigen Haut und an den kräftigen roten Beinen, während die jungen Tiere weissliclie, höchstens graulich-weisse, zierliche Füsse haben.

Pis ist in diesem Bericht bedauerlicher Weise von nettem die bereits Jahrhunderte alte Verwechslung der Geschichte des altweltlichen Perl­huhns mit der des neuweltlichen Truthahns vorgebracht. Die Ver­wirrung ist angerichtet durch die Unbestimmtheit des Begriffs Indien und durch Ilineinmengcn lateinischer Namen aus dem klassischen Altertum.

Es gehören beide Sippen, die Perlhühner (Numidinae) und die Truthühner (Meleagrinae) zu den Fasanvögeln (Phasianidae) und stehen sich im zoologischen System allerdings sehr nahe. Die ersteren sind aber in Afrika, die letzteren im östlichen Nordamerika, eine besondere Art, das Pfauentruthuhn (Meleagris ocellata) in Mittelamerika verbreitet.

Was zunächst das Perlhuhn (Numida meleagris L.) anlangt, so ist dasselbe zweifellos den Alten bekannt gewesen; Varro und Plinius beschreiben es kenntlich, immer wird das geperlte und gesprenkelte Gefieder und die aschgraue l^arbe desselben hervorgehoben. Die Meleagriden sind die Schwestern des Meleager, den die eigene Mutter umkommen liess, weil er ihren Bruder getötet. Sie werden von Artemis in Perlhühner verwandelt weil sie das Weinen um den Bruder nicht unterdrücken können. Ovid, Metamorphosen, VIII, 532 iig. schildert den Vorgang wie folgt:

Nie, und gab' auch ein Gott mir hundert ertönende Zungen,

Und sprachmächtigen Geist und des Helikons sämmtliche Weisheit,

Schildert ich völlig das Leid der unglückseligen Schwestern.

Diese zermartern, des Schmucks nicht weiter gedenk, sich den Busen,

Wärmen und wärmen die Leich aufs neue, so lange sie da ist,

Küssen sie selbst, und küssen zugleich das gebreitete Lager,

Drücken, als Asche sie ward, an das Herz die gesammelte Asche,

Liegen gegossen dahin am Grab, umfassen den Grabstein,

Welchen bezeichnet der Nam, und netzen mit Thränen den Namen.

Endlich des Elends satt des Parthaonischen Hauses,

Hebt Latonia sie, ausnehmend der edlen Alkmene Schnur, und Gorge allein, empor auf entsprossenen Federn,

Weit zu Fittigen reckt sie die Arme und macht aus dem Munde Hörnernen Schnabel, und schickt sie verwandelt empor durch die Lüfte.

Alles, was in der eingangs angeführten Mitteilung von den Truthühnern gesagt wird, ist auf die Perlhühner zu beziehen.

Das Perlhuhn kam im Altertum so massenhaft in Griechenland als Haus­tier vor, dass sogar arme Leute es als Opfertier bringen konnten. Nach der Römerzeit scheinen die Perlhühner in Europa unaufgeklärter Weise ganz oder fast ganz verschwunden zu sein. Erst mit Beginn der grossen See­fahrten- vom 14. Jahrhundert ab werden sie von Nordafrika aus wieder in Europa eingeführt.

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