Heft 
(1902) 11
Seite
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Protokoll der 17. (7. ordentlichen) Versammlung des X. Vereinsjahres. 29

Zwar bracht ich oft am Feierabend Im Taschentuch etwas Klössen = Mehl Zu Dir, an Deinen Küssen mich zu laben,*) lassen wir solchem mit wenigen Griffen fertiggestellten Bündel beliebige Namen geben, so reiht sich zwanglos die Puppe des armen Dorfkindes hier an, indem diese zumeist nur aus irgend einem Stück Zeug, einem kleinen Tuch oder fortgewoi'fenen Lappen besteht, wobei dann eine geringe Abschnürung mit Bindfaden, Garn oder dergl. den Hals be­zeichnet, über dem der leere oder etwa mit kleineren Flicken gefüllte Kopf wackelt, und unter dem der grössere Teil des Zeugstückes zu­gleich als Körper und Kleidung herniederhängt. Soll dies hilflose Wesen einen inneren Halt haben, so wird das Zeugstück um einen Holzspahn gewickelt.

In Ostpreussen nennt man solche PuppeFlickerpupp. Ich kann Ihnen, geehrte Anwesende, hier eine vorstellen, die schon höher geartet ist, da sie aus verschiedenen Zeugstücken besteht, von denen einige so der Rock und die Ärmel bereits Näharbeit (wenn auch die allerflüchtigste) aufweisen, wohingegen der Kopf die bescheidene Bündel­form beibehalten hat, obgleich ihm ein Schleier zugeteilt ward. Das reizende Gebilde stammt aus dem Kreise Neidenburg. Dann lege ich Ihnen die Abbildung einer solchen Puppe aus dem Kreise Fischhausen vor, wobei ich auf die sinnreiche, nur durch wenige Stiche geordnete Kleidung aufmerksam mache. Das ganze Kleid besteht aus zwei längeren Flicken, die um den sog. Hals geschnürt sind und hernieder­hängen, so einen doppelten Rock und zugleich eine Schürze ergebend; darüber ist ein kleineres, ausgezacktes Läppchen als Kragen um­geschnürt. Der Kopf in diesem Falle keine Nebensache wurde durch eine Kartoffel hergestellt, die in ein weisses Läppchen gewickelt ward, auf dem mit schwarzem Zwirn (mit je 23 Stichen) Augen, Nase und Mund verzeichnet wurden. Die Enden dieses Läppchens gaben den Hals ab. Zwei weitere kleine, sehr geschickt umgeschnürt und umgeknüpft geordnete Läppchen bilden Halskrause und Kopftuch, Die kleine Photographie hier zeigt eine von einem einstigen ost- preussischen Kindermädchen nur durch Umwickeln von Zeugstücken gefertigte Puppe: das zusammengeschnürte Taschentuch giebt den Kopf und die Arme ab, wobei noch die Hände durch Knoten entstehen konnten; das Gewand liess sich um so besser ordnen, als es aus dem Rest eines Kinderkleides bestehen durfte; aber erst das umgeknüpfte Tuch formte die Figur.

Ein Exemplar dieser Photographie hatte ich s. Zt. Herrn Prof. Otto Herman in Budapest im Austausch gesandt. Wie er sie benutzt

*) E. Lemke, Volkstümliches in Ostpreussen. I, S. 145.