30 Protokoll der 17. (7. ordentlichen) Versammlung des X. Vereinsjahres.
hat, bewies mir ein zufällig gerade jetzt von ihm übersandtes Heft mit Abbildungen von Puppen. Für eine Übersetzuug des ungarischen Textes — zur Benutzung für den heutigen Abend — war es leider schon zu spät. Ich lasse das Heft hier umhergeheu.
Sicherlich wird es in der Macht einer und der andern der anwesenden Damen liegen, derartige Zeugnisse einer nächstliegenden und unbestrittenen „Frauenfrage“ heranzuschaffen, insofern solche märkische Vorkommnisse betreffen. Inzwischen möge neben den ostpreussischen „Flickerpuppen“ eine „ Fetzen puppe“*) aus Ungarn Erwähnung finden. Herr Prof. Herman schickte mir bereits vor einigen Jahren die Photographie einer solchen Puppe und schrieb: „Ich sende Ihnen eine schwache Abbildung der Puppen — rongy buba (Hadern-Puppe) — der Szötler, welche meine Frau, die Szötlerin ist, für eine Abhandlung des Herrn von Gabnay verfertigt hat. Das Skelett, ein Kreuz, besteht immer aus der Rute des Birkenbesens. Durch Umwinden erhält man die Büste; der Kopf wird aus Fetzchen- geformt, mit einem reinen [Fetzchen] überzogen, und dann [wird] das Gesicht gemacht. Die Nase bildet ein Weizenkorn, das Auge Wickensamen, die Wangen [und] den Mund roter Stoff; und wird das ganze nun mit einem Tüllüberzug befestigt. Das Weizenkorn darf nie fehlen. Statt Wicken nehmen die Leute oft Pfefferkörner.“
Alle diese Puppen zeigen eine gewisse gesetzmässige Entwicklung, wobei bis auf den heutigen Tag auch die niedrigste, d. li. einfachste Form neben andern, bereits mehr herausgebildeten Formen überall vorkommt, gleichsam als wohl nie sich verleugnender, unabweislicher Ausdruck für den Lieblingswunsch aller kleinen Mädchen. Und dass die Puppe auch in andern Formen, als Flicken oder Fetzen zulassen, an bestimmten Überlieferungen festhält und dadurch gleichfalls bezeugt, wie tief eingewurzelt besagter Lieblingswunsch dem weiblichen Geschleckte zu eigen ist, erkennen wir nicht nur, wenn wir sozusagen eine Reise um die Welt unternehmen und bei vielen hundert verschiedenen Völkern vorsprechen, sondern auch in tausendjährigen Hinterlassenschaften, z. B. in denen der alten Ägypter. Die „Glieder“- oder „Gelenk-Puppe“ ist keine neuzeitliche Erfindung. Dafür haben wir u. a. im hiesigen Neuen Museum, im 7. Saale der ägyptischen Sammlungen, hochinteressante Beweise.
„Die älteste, uns überhaupt bekannte Puppe ist um das Jahr 1000 v. Chr. in Ägypten verfertigt und jetzt [ebenfalls] Eigentum des [genannten] Museums. Es ist eine kleine, sehr zierlich geartete Gelenk-
*) Im Appenzellerland heisst das Taschentuch „Nasafetzli“. (E. L. Eochholtz, Alemanisches Kinderlied und Kinderspiel aus der Schweiz. (1857.) II. Th., S. 392.)