Heft 
(1902) 11
Seite
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36 Protokoll der 17. (7. ordentlichen) Versammlung des X. Vereinsjahres.

Oft ist bei Puppen die Form nur noch etwa in dein Sinne an den Namen gebunden, wie wir von derPuppe des Schmetterlings sprechen, welcher Umstand insofern ganz und garnieht ins Gewicht fallt, als wir alle aus unserer eigenen Kindheit her wissen, wie ungemein anziehend gerade unvollkommene Formen auf die Einbildung wirken. Da wird ein einfaches kleines Stück Holz zum mutigen Schleuderer David, ein ebenso einfacher grösserer Stock zum Riesen Goliath. Ich gehe sogar soweit, ein rechtes Mitleid mit den Kindern zu empfinden, die man zu reichlich mit Spielsachen versorgt, und habe dann oft den Wunsch in mir entdeckt, an einer baldigen Zertrümmerung teilnehmen zu dürfen. Irgendwo las ich einmal das WörtchenArmut macht reich; sicherlich passt dies dorthin, wo es sich um Selbstbethätigung der Einbildung und schöpferischer Kräfte handelt.

Von aussereuropäischen Puppen seien noch einige- aus Afrika erwähnt.Eine ganz prächtige Sammlung von [hölzernen] Puppen, die von Stuhl mann in Usuramo gesammelt ist, befindet sich hier im Museum für Völkerkunde. Während in Usuramo und anderen Teilen Ost-Afrikas solche Spielzeug-Puppen aus IIolz geschnitzt werden, fand ich [sagt Fülleborn*] in den von mir durchstreiften Gebieten [der Deutsch-Ostafrikanischen Kolonien] ausschliesslich aus Thon hergestellte Puppen vor; nur in Uhehe sah ich merkwürdige, geflochtene, kleine cylindrische Körper, die obgleich in keiner Weise an menschliche Figuren erinnernd, dennoch Kinderpuppen waren. Kinderpuppen aus Lehm, Männchen und Weibchen, wie sie die Wakisi anfertigen, wurden der Berl. Anthropol. Ges. vorgelegt.Überall ist der spitz zulaufende Kopf ganz merkwürdig nach hinten übergebogen und trägt als einzigen Gesichtszug ein Paar Augen-Punkte. Eine Figur hatte auch noch Haare (die mit Lehm zusammengebackenen Haarlöckchen oder besser Klösschen, wie sie in der Gegend oft getragen werden, vorstellend), von denen aber infolge des Transportes nur noch zwei Löckchen stehen geblieben sind. Die Arme und Hände sind meistens ausgelassen; wo sie vorhanden sind, haben sie auch Finger, und zwar kommt es dabei auf ein Paar zu viel nicht an. [Sogar 8 Finger sind zulässig.] Die Beine sind überall recht kurz geraten, was in Anbetracht der Technik leicht verständlich ist haben aber dafür desto grössere Füsse, damit die Puppen auch aufrecht stehen können; hier ist man ebenfalls [sagt F.] nicht kleinlich darin, den Figuren nur die normale Anzahl von Zehen zu geben. Die Tättowierung ist bei einigen Figuren nicht vergessen.

*) Verli. d. Berl. Ges. f. A., E. u. U. 1900, S. 530 u. f. (Fülleborn, Über die Dar­stellung derLebensformen bei den Eingeborenen im Süden der Deutsch-Ost- frikaniscben Kolonie. S. 511 u. f.).