38 Protokoll der 17. (7. ordentlichen) Versammlung des X. Vereinsjahres.
Wahrlich eine bunte Gesellschaft! und meistens so geartet, dass eine feine Puppe aus Berlin oder Paris ihr Naschen rümpfen möchte; ihre Augen könnte sie ja ohnehin niederschlagen, wenn man etwas nachhülfe.
„Die Puppe spielte bei den Germanenkindern schon eiue grosse Rolle“ heisst es in einem Artikel,*) den ich neulich vor Augen bekam; leider war nichts näheres darüber gesagt. Wir können indessen jene Behauptung wohl gelten lassen; nur müssen wir uns die Bezeichnung „Puppe“ wegdenken; das germanische Wort ist „Docke“ oder „Tocke“; ahd. tocchä.**) (Mhd. bedeutete tocke auch „junges Mädchen“.)***) Der Name ist noch in vielen Gauen Deutschlands und Österreichs erhalten.
Bei Regensburg heisst die grosse Puppe „Docka“, die kleine „Dockerl“. (Mündl. Mitt.). Im Allgäu u. s. w. heissen die Puppen nicht nur „Gretl“ oder „Gredel“, sondern auch „Doken“, „Doken-Nandl“ (Annerl), „Doggenanni“, „Doggebabel“ und „Babel“.f)
Herr E. Küster in Breslau hatte die grosse Freundlichkeit, mir auf meine Anfrage folgendes zu schreiben. „Der volkstümliche Axisdruck für Puppe ist bei uns in Schlesien „Tocke“. Die Bezeichnung ist jedoch hauptsächlich an die aus Zeugflicken von den Leuten selbst hergestellten, mit Sägespähnen gefüllten Puppen gebunden; in der Liegnitzer Gegend versteht man sogar nur die auf einer Holzunterlage feststehenden Puppen darunter. Übrigens sind unter Tocken immer nur die sägespähne- gefüllten Vertreterinnen des schönen Geschlechts zu verstehen, wie z. B. anch die wohlwollende Bezeichnung „Geputzte Tocke“ eine wie eine geputzte Puppe einherstolzierende Frauensperson bedeutet. Diejenigen Puppen, welche — in der häuslichen Industrie hergestellt — männliche Personen vorstellen sollen, heissen ausnahmslos Hansemänner oder Hanswurschte, natürlich nur ihres buntscheckigen Aussehens halber. Diese Hansemänner und Tocken wurden früher von den kleinen Leuten auf dem Lande und in den kleinen Städten für die Kinder angefertigt und wohl auch zum Verkauf in den Häusern angeboten. Ich glaube, mich zu erinnern, dass ich solche Dinger auch auf den Weihnachtsmärkten habe stehen sehen, in der würdigen Gesellschaft von Pflaumenmännern u. dgl.“
In Hunsrücker Mundart heisst dagegen die Puppe ,,Bobb“.ff) Hölzerne Puppen aus dem Grödner Thal, die ich in Botzen sah, heissen
*) D. Tagesztg. 18. Pec. 1901; der Köln, Volksztg. nachgedruckt.
**) Anton Birlinger, Wörterbüchlein. (Volkstümliches aus Schwaben; 1862.)
***) Friedrich Kluge, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache; 1894, 5. Aufl.
t) Briefl. mitget. v. d. Herren Chr. Frank, Curat i. Kaufbeuren u. Johann Nepomuk Eser, Landwirt i. Buchion (Bayr. Schwaben).
ff) P. J. Rottmann, Gedichte in Hunsrücker Mundart, S. 159, 257 u. 340.