Heft 
(1902) 11
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Protokoll der 17. (7. ordentlichen) Versammlung des X. Vereinsjahres. 89

Brigl; sie sind bunt bemalt und kosten 1020 Kreuzer. Hier eine kleine Zeichnung! F. P. Piger erwähnt aus Mähren die Bezeichnung Nünnl (= Nönnlein).*)

Den uns jetzt geläufigen NamenPuppe wollen einige mit der zweiten Gemahlin des Nero, Poppäa Sabina, in Verbindung bringen, indem sie erzählen: die nicht gerade bieder oder vornehm zu nennende Dame habe sich eine Statue anfertigen lassen, die genau ihren eigenen Massen entsprochen und ihr die Mühe des Anprobierens neuer Kleider erspart habe. Diese Statue sei Poppäa genannt worden und habe grosse Nachfolge bei andern Römerinnen gehabt. Im 16. Jahrhundert tauchten derartigeModepuppen inFrankreich auf.**) (Spraclikundlich abzulehnen!)

Nach anderer Lesart hätte vor etwa 500 Jahren der Italiener Pusello Grivaldi eine Ausstellung von 60 Waclisfigürchen in Paris eröffnet: zierliche Figürchen, in Zügen und Kleidung den römischen Kaiserinnen entsprechend, und der tobsüchtige König Karl VI. hätte besonders an der Figur, die Poppäa Sabina vorstellte, so grosses Gefallen gefunden, dass er sie für 400 Goldstücke gekauft habe. Die Königin, der Hof und das Bürgertum hätten dann bei dem Italiener zahllose Waclisfigürchen bestellt; aber nach dem Tode Karl VI. habe man solchePoppäa den Kindern überlassen.***) (Ebenfalls abzulehnen!)

Einige deutsche Fürsten im 17. und 18. Jahrhundert verschrieben das Spielzeug aus Paris. Französische Kostbarkeiten (so schrieb Franziska von Hohenheim, die Freundin des Herzogs Karl von Württemberg) wurden vor der [WeihnachtsJ-Krippe aufgestellt. Puppen aus Leder und Wachs, im Flitterstaat, standen im Kreise da. Dann folgten ein Puppenhaus, das dem Heim einer Pariserin nachgebildet war, und eine mit Kesseln, Pfannen, Krystallgläsern, Kochherden und Kupfergerät angefüllte Puppenküche. Zu dieser Bevorzugung des Auslandes bei Weihnachtseinkäufen zeigte sich bei den Hohenzollern ein erfreulicher Gegensatz. Ihre Agenten in Nürnberg, Leipzig und Frank­furt a. M. waren zur Besorgung von Weihnachtsgeschenken für die fürstlichen Kinder beauftragt. An Kostbarkeit konnte sich das deutsche Spielzeug mit dem französischen damals nicht messen. Die Söhne und Töchter des grossen Kurfürsten erhielten knöcherne Würfel, Bern­steinkugeln, Arche Noah, Kegelspiel, Puppen und liliputanisches Küchen­gerät.!)

Die Puppen werden sehr anders ausgesehen haben, als die feinen, in Wunderwerke der Pariser Schneiderkunst gekleideten Exemplare, die

*) Franz Paul Piger, Geburt, Hochzeit und Tod in der Iglauer Sprachinsel in Mähren. Zeitsclir. d. V. f. Volksk. 1896, S. 264

**) D. Tagesztg. 7. Dec. 1899; der Köln. Volksztg. nachgedruckt,

***) B. Lok.-Anz, 28. Jan. 1899. t) Nat.-Ztg. 22. Dec. 1901.