Heft 
(1902) 11
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40 Protokoll der 17. (7. ordentlichen Versammlung des X. Vereinsjahres.

kürzlich für die russischen Grossfürstinnen Olga, Tatana und Xenia fertiggestellt und in den Zeitungen ausführlich besprochen wurden.

Sehen wir von Nürnberg ab, das für die Entwicklung der deutschen Spielwaren-Industrie in erster Reihe steht, so wird uns heute besonders das thüringische Städtchen Sonneberg interessieren.Dort stellte man schon im 17. Jahrhundert, wahrscheinlich noch früher, aus Holz geschnitzte Spielwaren her. Die Waren begannen allmählich an­sehnlicher und gefälliger in ihrer Form zu werden. Während sie vor­mals vom sog.Weissmacher einfach geschnitzt wurden, fing man nun an, sie zu bemalen; es entstand ein besonderes Gewerbe: die sog. Wissmutmaler. Auf dieser Stufe blieb die Fabrikation wohl bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts stehen. Von da an schnitzte man bei den Docken und Tieren nur den Rumpf aus Holz; diejenigen Teile aber, welche besonders schwierig und umständlich zu schnitzen waren, formte man ähnlich wie früher in Klöstern des bayrischen Hochgebirgs aus einer Teigmasse, bestehend aus geringwertigem Roggenmehl (dem sog.Futtermehl), in Leimwasser gerührt. Diejenigen, welche dieses Formen ausübten, nannte manBossierer. Besagte Fabrikationsweise war zweifelsohne ein Fortschritt, hatte aber auch empfindliche Mängel, die darin bestanden, dass der Teig sehr schwer trocknete und, die Feuchtigkeit ausgesetzt, weich und schimmlig wurde, dass er ein Lecker­bissen für die Mäuse war, und dass wegen des freihändigen, zeit­raubenden Bossierens die Ware nicht billig hergestellt werden konnte. Eine neue Ära der Spielwaren-Industrie trat mit jener Erfindung ein, welche diesen Mängeln mit einem Male abhalf. In Frankreich hatte man sich zu Heiligenfiguren u. s. w. der Papiermacliämasse (eines Gemenges von Papierabfällen, Schlemmkreide, Schwarzmehl und Leim­wasser) bedient. Diese zur Fabrikation von Spielwaren zuerst hier an­gewandt zu haben (etwa 1820) und zwar, wie es heisst, nach Mit­teilungen eines französischen Soldaten, ist das Verdienst eines Sonne­bergers, Friedrich Müller. Die ganze Bossierarbeit wurde eine andere: man drückte die bildsame Masse in Formen, welche vertieft die Figur enthielten, und konnte so auf billige Weise eine grosse Menge einander gleicher Abdrücke liefern. Bald trat der fabrikähnliche Betrieb ein.Die Puppen behielten indessen [im Gegensatz zu anderem Spielzeug] ein ungelenkes, vielfach karikiertes Aussehen, bis man 1852 in England Kindergruppen chinesischer Fabrikation kennen lernte, welche [Puppen] in den durch Schnüre verbundenen Gelenken beweglich waren. Aus diesem Artikel sind die modernenTäuflinge, welche bei einem Druck auf die Brust schreien, hervorgegangen. Die heutigen sog. Gelenkpuppen zeigen nur insofern eine Veivollkommnung, als die Gelenke mittels gedrechselter Holzkugeln dargestellt werden. Seit den 50 er Jahren hat die Puppenindustrie einen sehr bemerkenswerten Auf-