Heft 
(1902) 11
Seite
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Protokoll der 17. (7. ordentlichen) Versammlung des X. Vereinsjahres. 45

befehlender Stimme den erschrockenen Hirten und Sennen zu:Einer von Euch muss bei mir bleiben! wo nicht, gehts Euch allen übel! Begreiflich wollte aber keiner der Auserkorene sein, und das Los musste entscheiden. Der Zurückbleibende nahm schweren Abschied von seinen Genossen und sah sie mit schrecklicher Ahnung thalwärts ziehen; mit furchtbarem Beben sah er die Puppe an, die ihn grässlich grinsend anglotzte und mit den Zähnen fletschte. Einer der schon eine Strecke weitgegangenen Sennen kehrte um, sein vergessenes Taschenmesser zu holen. Da sah er zu seinem Entsetzen, wie die Puppe heran­gewachsen und mit weisser Kappe angethan die frische Haut des armen Zurückgebliebenen auf dem Hüttendach ausbreitete und schabte.*)

Nicht gefährlich, aber doch einigermassen gefürchtet, weil zu grossen Neckereien veranlassend, ist die Puppe, die bei der. Land­bevölkerung in Zusammenhang mit dem Getreide eine Rolle spielt.**) Z. B.in Ilerbrechtingen [in Schwaben] giebt man genau Achtung, wer zuletzt mit dem Dreschen fertig wird; jeder beeilt sich aber, nicht der letzte zu werden. Wer es dennoch ist, dem wird eine etwa l'/z Schuh langeDocke (Puppe), die als lumpiges Weib angezogen und mit einem Hute bedeckt ist, unversehens in die Scheuer geworfen, indem der Werfer ruft:Da hent ihr die Mockel! Die Drescher wissen das schon vorher und passen deshalb auf und suchen den, der die Docke hereinwirft, zu fangen. Bekommen sie ihn, so behalten sie ihn über Nacht und lassen ihn zur Strafe nicht zur Flegelhenke. Mit der Puppe wird alsdann allerlei Scherz getrieben und viel dabei gelacht. In Schlath bei Göppingen bekommt die Mockel einen in Stroh eingewickelten Stein als Kopf.***)

Die sog. Docken an Gebäuden u. s. w. werden zunächst aus Stein gebildet, doch auch aus Holz, Cement und gebrannter Erde; man versteht darunter säulenartige Glieder, welche die obere Platte einer Brüstung tragen. Die Docken an der Drehbank sind die Stützen zur Aufnahme der Spindel und des Arbeitsstückes. Bündel von Flachs, Stroh, Seide u. s. w. heissen bekanntlich Docken. Zapfen und Schlägel in den Teichen werden ebenfalls Docken genannt, f)

*) Dietrich Jäklin, Volkstümliches aus Graubünden. 1874, S. 15.

**) Auch die Bündel von gemähtem Getreide heissen in manchen Gegenden DeutschlandsPuppen.

***) Ernst Meier, Deutsche Sagen, Sitten und Gebräuche aus Schwaben. II. Teil, 1852; S. 445 u. f.

f) Pierers Konvers.-Lex., 7. Aull. Vgl. Anton Birlinger, Wörterbüchlein. (Volkstümliches aus Schwaben; 1862) S. 26.Dock, Docke = kurze dicke Säule; Zapfen mit zwei Querhölzern gleich Armen, so dass die Gestalt der einer Puppe gleicht.