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(11. ausserordentl.) Versammlung des X. Vereinsjahres.
Pergamon, dessen Akropolis und Zeustempel deutlich sichtbar war. Nach dem Moabiter Zeustempel aber führte, allerdings mit einem bedeutenden topographischen Sprunge und einem nicht minder gewaltsamen Anachronismus, eine ebenfalls nahezu in den wirklichen Grössenverhältnissen gehaltene Nachbildung des Altarbaus, den wir nebst anderen verwandten Altertümern dank dem gütigen Entgegenkommen der General-Direktion der Königlichen Museen am heutigen Montag, also an einem sonst dem Publikum versagten Tage unter der freundlichen Führung des Herrn Dr. Pernice alsbald besichtigen werden. Die Seitenwangen des stuhlartig sich entwickelnden Altarbaus waren mit Abgüssen der hier im Museum aufgestellten Friesplatten ausgestattet und wo die letztem lückenhaft erschienen — die Originale lagerten mehrere Jahre in ungünstiger Placierung im Alten Museum —, hatte die geschickte Hand des Professors Tondeur Ergänzungen versucht.
Endlich haben die pergamenischen Altertümer, insbesondere der Altarstuhl, für unsere Volkskunde eine nicht zu untei’sclkitzende Bedeutung gewonnen. Es hängt das mit derjenigen Schrift unsers Neuen Testaments zusammen, welche vermöge ihrer tiefen Mystik und ihrer grandiosen Prophetie zu allen Zeiten auf das Volk den nachhaltigsten Eindruck gemacht hat d. h. mit der Offenbarung St. Johannis.*) Gerade von der Heidenmission ist von jeher die Apokalypse teils zu Belobungen und Verheissungen teils — und fast noch mehr — zur Verwarnung, zum Tadel und geradeswegs zur Verwünschung und Verfluchung angewendet worden. Nun wird unter den damaligen christlichen sieben Hauptgemeinden Klein-Asiens im 2. Kapitel Pergamon in dem Anschreiben an den Engel der dortigen Gemeinde mehrfach erwähnt. Die kleine Christengemeinde hatte mit den dortigen Heiden, als am Sitz eines grossen Götter- oder Götzen-Kultus, schwere Kämpfe zu bestehen. Und der Evangelist belobt die Gemeinde, die Christi Glauben nicht verleugnet „auch in den Tagen, in welchen Antipas, mein treuer Zeuge bei Euch getötet ist, da der Satan wohnet“. Und schon vorher noch deutlicher „Ich weiss, was du thust und wo du wohnest, da des Satans Stuhl ist“, äpovog rov o-a.Ta.vai.
Diese Bezeichnung wird man, wenn man für den obersten Gott — Zeus — den Teufel oder Satan substituiert, was ganz im Stil des Neuen Testaments geschieht, ungezwungen auf den in riesenhaften, höchst imponierenden Verhältnissen ausgeführten pergamenischen Altarbau beziehen können. Jedenfalls wird seither in der Heidenmission die Bezeichnung von dergl. Kultstätten als Satans- oder Teufelsstätten all-
*) Auf den theologisch-kritischen Streit, ob der V erfasser des EvangeliumsSt. Johannis und der Apokalypse ein und dieselbe Person sei u. dgl. m. kommt es für die hier in Frage kommenden Beziehungen nicht im geringsten an. t