Heft 
(1902) 11
Seite
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Bücherschau.

Der Verfasser, als geborener Berliner unser Mitbürger, hat in diesem Werke die Ergebnisse einer Ileise nach einem bisher so gut wie ganz unbekannt gebliebenen Erdfleck des Sundaarchipeis, weit über Sumatra und Java hinaus, niedergelegt, die ihn, ein in der Gegenwart seltener Glücksfall, in kaum jemals von einem Europäer erforschte Regionen führen sollte.

Wer, frage ich, kennt die Mentawai-Inseln? Fremd genug mag ihr Name sogar solchen geblieben sein, die sonst auf der Erde hinlänglich gut Bescheid wissen. Fortan wird dem anders sein. Es genüge, hier anzudeuten, dass die bisherige terra incogniia an der Westküste Sumatras liegt und unter hollän­discher Oberhoheit steht, ohne von dieser in ihrer Weltabgeschiedenheit politisch und social besonders behelligt zu werden.

Dies also war das von Maass für sich ausgewählte Reiseziel und Forschungsgebiet, dem er glücklich genug gewesen ist, längere Zeit eine ebenso ernste wie eingehende Wirksamkeit widmen zu dürfen. Mit bereit­willigem Entgegenkommen der niederländischen Colonial-Regierung betrat er einen Boden, verkehrte er mit einer Bevölkerung,-die, obgleich so nahe civilisatorisclien Einflüssen, noch den vollen Zauber bis jetzt unerforschter Originalität an der Stirn trugen.

Die Exkursion dorthin, zu der sich der Verfasser im Berliner Völker­museum angeregt gefühlt, entschlossen und vorbereitet hatte, wird von ihm in seinem Buche in nicht minder klarer wie geistvoller Weise aufs An­schaulichste geschildert. Keine müssige Schwelgerei in Naturgenüssen, kein Nachempflnden sentimentaler Stimmungsfeinheiten, dagegen die gesunde Realistik eines mit offenem Auge scharf und verständnisvoll um sich blickenden Beobachters, so recht im Sinne der Matadore modernen, wissenschaftlichen Sammelfleisses, wie Bastian oder Fricdcl. Da ist kein Hüttenbau, kein Ilaus- geräth, kein Kleidungs- oder Schmuckstück jenes polynesischen Urstammes, das nicht beschrieben, ja nicht erforderlichen Falles zu Museumszwecken, wenn auch oft mühsam, erworben worden wäre; der Sammler selbst an Thatkraft und Energie der Liebhaberei niemand mehr als vielleicht einem Jagor vergleichbar.

Selbst bedenkliche Sitten und Situationen, wie sie Fürst Pückler seinem Leserkreise in der Umhüllung griechischer Lettern vorzuführen liebte, werden in höchst decenter Weise, einmal sogar mehr wie bloss angedeutet. Man fürchte oder erwarte jedoch nach dieser Richtung hin von der Unbefangenheit und dem Zartgefühl des Reisenden nicht allzuweit gehende Indiskretionen.

Zu bedauern ist, dass seine liebenswürdigen Wilden manchmal un­liebenswürdig genug waren, unserem Gewährsmann den Zutritt zu ihren Dörfern entweder ganz zu verweigern oder doch nur zögernd zu gestatten, und zwar aus abergläubischer Furcht, ihre Kinder könnten durch den Anblick eines Weissen fieberkrank werden. Wahrhaft erfrischend primitiv, würde Bastian ausgerufen, sich indes, wäre die Sache ihm passiert, nichtsdestoweniger darüber geärgert haben.

Wir bewundern an Herrn Maass mit Recht das Ideal eines rastlosen Schaffens, sogar unter dem erschlaffenden Einfluss der Tropensonne; den Ansporn eines ruhelosen, echt norddeutschen Arbeitsgewissens, umsomehr, da wir, in seine Lage versetzt, uns selbst eines Gleichen nicht fähig gefühlt hätten.